Brüder der Drachen
Kopf. Ihr Aufenthalt in Car-Tiatha ging nun seinem Ende entgegen. Sie hatte viele Menschen kennengelernt, viele neue Eindrücke gewonnen, dennoch war ihr klar geworden, dass dies nicht der Ort war, an dem sie sich zu Hause fühlte – zumindest nicht ohne Loridan und Deryn.
Es dauerte nicht lange, bis Deryn erschien, und ohne viele Worte bestiegen sie den Craith und ritten los. Danira warf einen letzten suchenden Blick über den Burghof und war erleichtert, dass der einäugige Offizier nicht mehr zu sehen war. Die Wachen salutierten, als Deryn die Echse durch das Tor hinaus in die Straßen der Stadt lenkte. Bald lag auch das Stadttor hinter ihnen, und sie durchritten den Gürtel von fruchtbarem Ackerland, der die Stadt umgab.
Hin und wieder sahen sie verstreute Gehöfte, und viele Reiter und Fuhrwerke begegneten ihnen, die mit Handelsgütern der Stadt entgegenstrebten. Gegen Mittag rasteten sie in einem Flecken, der nur aus einem Gasthof und einer Handvoll weiterer Häuser bestand. Die Reise verlief recht eintönig, und einen großen Teil der Strecke verbrachte Danira damit, still vor sich hin zu grübeln. Sie war froh, Car-Tiatha hinter sich gelassen zu haben, denn das ständige Lärmen und die hektische Betriebsamkeit in den Straßen der Stadt waren ihr zuwider. In Car-Elnath war alles so viel ruhiger gewesen. Sie fragte sich, warum sie die Stadt der Geister verlassen hatte, wenn sie die bevölkerten Städte des Reiches nicht ertragen konnte. Um ihr Leben auf einem einsamen Bauernhof zu verbringen?
Danira fand keine Antworten auf ihre Fragen, und sie bemerkte kaum, wie Deryn am frühen Nachmittag die Echse auf den Weg lenkte, der zu dem Landgut von Elea und Aldaron führte. Erst als sie das Tor passiert hatten, wurde Danira klar, dass sie am Ziel waren – und dass auch Deryn ihr jetzt bald Lebewohl sagen würde. Dann blieben ihr nur noch Elea und Aldaron und die anderen Menschen, die hier auf dem kleinen Gehöft lebten. Grimstan war wieder einmal der Erste gewesen, der ihre Ankunft bemerkt hatte – oder der Zweite, wenn man Sardoc mitrechnete. Der Alte kam ihnen aus dem Stall entgegen und grüßte die Ankömmlinge mit einem Kopfnicken.
»Soll ich deine Echse in den Stall bringen?«, fragte er Deryn. »Oder reitest du gleich weiter?«
»Ich denke, ich werde kurz hierbleiben. Sind Elea und Aldaron im Haus?«
Grimstan antwortete mit einem Nicken und nahm die Zügel des Tieres entgegen. Er wandte sich Danira zu und schien etwas sagen zu wollen, dann erstarrte sein Blick, als er das Mädchen näher betrachtete.
»Woher hast du dieses Amulett?«, fragte er.
*
Der erste Tag der Reise war erwartungsgemäß ruhig verlaufen, denn der Weg führte Tan-Thalion und seine Begleiter über gut unterhaltene Straßen durch dicht besiedeltes Gebiet. Am Abend waren die Reisenden in Ber-Faidon eingetroffen, einem Dorf mit einer kleinen Burg, die über die Umgebung wachte. Zur Freude des Zauberers hatten sie die Nacht in der Festung verbracht, wo Angaldir lebte, ein ehemaliger Ritter der Drachengilde, dessen Familie hier schon seit vielen Generationen ein Lehen besaß. Eldilion und seine Ritter hatten mit Angaldir in alten Erinnerungen geschwelgt, und die anderen Reisenden hatten zumeist schweigsam den Erzählungen über die Drachen und das Drachenland gelauscht. Tan-Thalion war seinen eigenen Gedanken nachgegangen, froh darüber, noch einmal hinter sicheren Mauern ruhen zu können und Wein und warme Speisen zu genießen, die sie bald genug entbehren würden.
Am nächsten Tag waren sie schon früh am Morgen wieder aufgebrochen, allerdings ohne Eldilion, der sich auf den Rückweg nach Car-Tiatha begeben hatte. Immer seltener trafen sie andere Reisende auf der Straße, auch wenn sie noch zwischen bebauten Feldern und vereinzelten Gehöften hindurchritten. Es war kurz nach Mittag, als sie eine lose Ansammlung von Gebäuden erreichten, von denen einige erschienen, als seien sie schon vor langer Zeit von ihren Bewohnern verlassen worden.
»Dort liegt der letzte Gasthof vor der Grenze zum Drachenland«, sagte Herubald. »Hier wollen wir rasten und den Einbruch der Dämmerung abwarten, denn von nun an werden wir nur noch bei Nacht reisen.«
Kritisch betrachtete der Zauberer die halb zerfallenen Häuser, die den Gasthof umgaben. Offenbar war dies früher ein größerer Handelsposten gewesen, doch es lag auf der Hand, warum er seine Bedeutung verloren hatte: Der Verkehr auf der einstigen Handelsstraße in den Westen war vor
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