Brüder der Drachen
weiter beobachtete, bemerkte Danira einen hochgewachsenen Mann mit dem roten Kragen eines Offiziers, der eine Augenbinde über dem linken Auge trug. Er schritt an der Front der Burggarnison vorbei und näherte sich dann der Gruppe der Drachenritter. Sein Blick schweifte über die anderen Personen, die auf dieser Seite des Burghofs versammelt waren, und blieb plötzlich an Danira hängen. Eine Weile sah er das Mädchen an, wandte sich dann aber wieder ab und trat an eine Gruppe von Männern heran, die in der Nähe von Danira und Deryn standen.
»Wer war das?«, fragte Danira und zupfte Deryn am Ärmel.
»Wer?« Deryn hatte gerade ein paar Worte mit einem der anderen königlichen Boten gewechselt und das Geschehen um ihn herum nicht verfolgt.
»Der Einäugige, der eben den Hof überquert hat. Er trug einen Offiziersumhang und eine Kettenrüstung.«
»Ach so – das ist Angbold, der Hauptmann der Burggarnison. Möchtest du, dass ich dich ihm vorstelle?«
»Nein, danke. Er hat mich nur so komisch angesehen.«
»Er hat sich wahrscheinlich gewundert, dich zu sehen. Immerhin bist du das einzige Mädchen hier auf dem Burghof.«
»Ja, vielleicht.« Obwohl Daniras Aufmerksamkeit hauptsächlich den Rittern und Soldaten galt, wanderte ihr Blick nun immer wieder zu dem alten Offizier. Plötzlich beendete dieser sein Gespräch und bewegte sich mit raschen Schritten auf die Gruppe der königlichen Boten zu. Direkt vor Deryn blieb er stehen, doch sein Auge wandte sich Danira zu, und er musterte sie mit gerunzelter Stirn. Das Mädchen spürte ein unangenehmes Gefühl in sich wachsen. Von diesem Mann ging eine seltsame Ausstrahlung aus, die ihr merkwürdig vertraut vorkam – hatte sie nicht in der Anwesenheit von Grimstan Ähnliches gefühlt? Es war jedoch unwahrscheinlich, dass sie zu diesem Mann jemals die Zuneigung verspüren würde, die sie inzwischen für Grimstan empfand. Die Anspannung fiel von ihr ab, als der Blick des Offiziers sich von ihr abwandte, um sich auf Deryn zu richten.
»Seid gegrüßt, Deryn«, sagte er. »Ich bringe eine Nachricht für Euch. Der König wünscht Euch vor Eurer Abreise noch einmal kurz zu sprechen.«
»Danke, Angbold. Ist meine Anwesenheit sofort gewünscht?«
»Nein, der König erwartet Euch nach der Abreise von Tan-Thalions Reisegesellschaft. Aber wollt Ihr mich nicht Eurer jungen Begleiterin vorstellen?«
»Natürlich«, antwortete Deryn. »Das ist Danira. Sie lebte bis vor Kurzem in Car-Elnath, und nun haben Loridan und ich sie unter unseren Schutz genommen. Danira, das ist Angbold, der Hauptmann der Burggarnison.«
»Es freut mich, dich kennenzulernen, Danira«, sagte Angbold mit einem dünnen Lächeln. Er musterte sie weiterhin, und plötzlich blieb sein Blick an dem Amulett hängen, das sie seit ihrem Treffen mit Timon um ihren Hals trug. Danira hatte den Eindruck, dass der Offizier plötzlich erblasste. Sein Auge, das schon vorher einen seltsamen Ausdruck hatte, begann zu funkeln.
»Du trägst da einen schönen Anhänger«, sagte er. »Woher hast du dieses Amulett?«
Danira fühlte sich unwohl in ihrer Haut; am liebsten wäre sie davongerannt, doch sie musste dem Einäugigen eine Antwort geben. Irgendetwas hielt sie davon ab, ihm die volle Wahrheit zu sagen. »Ich habe es hier auf dem Markt gekauft«, antwortete sie.
»Es gefällt mir«, erwiderte Angbold. »Wer hat es dir verkauft?«
»Eine alte Frau. Sie hatte einen Stand auf dem Marktplatz.«
»Nun, vielleicht werde ich den Markt demnächst auch einmal besuchen.« Obwohl die Anspannung aus Angbolds Gesicht gewichen war, lag noch immer etwas Lauerndes in seinem Blick. »Wirst du länger hier in der Stadt bleiben?«
»Nein, ich reise heute noch ab.«
»Ich werde Danira mitnehmen, wenn ich heute zu meiner Reise nach Lornmund aufbreche«, ergriff Deryn das Wort. »Sie soll bei Loridans Verwandten in Ber-Eliath wohnen.«
»Nun, dann wünsche ich dir viel Glück in deiner neuen Heimat.« Angbold lächelte das Mädchen an.
»Danke«, war alles, was Danira erwidern konnte. Sie atmete auf, als der Einäugige sich abwandte und wieder den Burghof überquerte.
»Warum hast du ihm gesagt, wo ich leben werde?«, fragte sie Deryn.
»Warum hätte ich es ihm nicht sagen sollen?«
»Ich weiß nicht«, sagte Danira. »Er gefällt mir nicht.«
Sie bemerkte, dass Deryn sie mit gerunzelter Stirn betrachtete, als plötzlich ein Raunen durch die Menge der Menschen lief. Endlich war es soweit: Tan-Thalion und seine Begleiter schritten
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