Brüder der Drachen
ist Zeit«, sagte der Drachentöter.
Als sie sich wieder in der Gaststube sammelten, schien die tief stehende Sonne durch eines der Fenster herein. An den Tischen saßen nun einige Männer in zerschlissener Arbeitskleidung, die die Gefährten mit unverhohlenem Interesse musterten. Der Wirt hatte den größten Tisch für seine besonderen Gäste frei gehalten, und darauf trug er nun Schüsseln mit dampfendem Eintopf, Brot und Bier auf. Angesichts der vielen neugierigen Blicke senkte Tan-Thalion instinktiv seine Stimme, als er das Wort ergriff.
»Wie weit ist es noch, bis wir im Land der Drachen sind?«
»Ein Ritt von einer Stunde vielleicht. Genau kann dies niemand sagen.«
Die laute Stimme, mit der Herubald antwortete, war dem Zauberer unangenehm, und er spähte verstohlen zu dem Ecktisch hinüber, an dem sich wieder der geheimnisvolle Bärtige niedergelassen hatte. Der Fremde schien sein Interesse an den Reisenden nicht verloren zu haben und musterte sie wiederholt. Nun jedoch bemerkte Tan-Thalion ein Detail, das ihm vorher entgangen war: Neben dem Ring Firions trug der Mann einen zweiten Anhänger um seinen Hals – ein silbernes Symbol, von dem nur das obere Ende bisweilen aus seinem Hemd hervorschaute. Eine Weile fragte sich Tan-Thalion, ob er den Mann ansprechen oder zumindest den Wirt nach ihm befragen sollte, doch plötzlich erhob sich der Bärtige und verließ den Gastraum. Unter seinem braunen Ledermantel zeichnete sich der Umriss eines Schwertes ab. Der Zauberer richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Herubald, der zum wiederholten Male seine Anweisungen gab, wie die Reisenden sich im Falle eines Angriffs durch die Drachen verhalten sollten.
Während des Abendmahls hatte die Sonne den Horizont berührt, und ihr rotgoldenes Licht durchflutete die Gaststube. Baradin, der Soldat mit den kurzen dunklen Haaren, beendete seine Mahlzeit als einer der Ersten, und nach ein paar leisen Worten zu seinem Gefährten Gerric erhob er sich und ging hinaus. Auch unter den übrigen Gefährten machte sich Unruhe breit, denn es war klar, dass sie ihre Reise bald fortsetzen würden. Das Licht draußen ließ stetig nach, und bald würden nur noch die Sterne den Himmel erhellen. Wenig später blickte Herubald zu Tan-Thalion und nickte bedeutungsvoll, sodass dieser sich aufgefordert fühlte, das Wort zu ergreifen.
»Offenbar ist der Moment unseres Aufbruchs gekommen«, sagte der Zauberer. »Wenn wir nun unsere Reise fortsetzen, werden wir sehr bald ins Drachenland gelangen. Für mich erfüllt sich damit ein Traum, dem ich seit vielen Jahren nachgehe. Ich möchte allen danken, die mich auf dieser Fahrt begleiten.«
Der Zauberer sah sich kurz um, denn er bemerkte, dass Baradin noch nicht zurückgekehrt war.
»Auch Eurem Gefährten würde ich gerne danken«, sagte er zu Gerric. »Wisst Ihr, wo er ist?«
»Er wollte nur kurz nach draußen«, erwiderte der junge Soldat. »Soll ich nachschauen, wo er bleibt?«
»Nein, wir wollen gemeinsam gehen«, erwiderte Herubald. »Es ist Zeit, aufzubrechen.«
»Nun, gut.« Tan-Thalion räusperte sich. »Lasst uns also unsere Becher leeren und auf ein gutes Gelingen unserer Reise trinken. Möge Firion uns beschützen.«
Der Zauberer hob sein Trinkgefäß, und die anderen schlossen sich ihm an. Wenig später hatten die Gefährten ihre Ausrüstung und Waffen wieder aufgenommen, und sie wandten sich dem Ausgang des Gasthofs zu, während Herubald dem Wirt ein paar Münzen in die Hand drückte.
Als sie sich im Dämmerlicht des Abends dem Stall näherten, drang aus diesem ein lang gezogenes, klagendes Heulen hervor, das in einem heiseren Röcheln endete.
»Etwas stimmt nicht mit den Echsen«, sagte Loridan, der den anderen vorausging. Hastig trat er an die Tür heran, und auch Herubald drängte sich schnell an den anderen vorbei, um an die Seite seines Schwertbruders zu gelangen. Kaum hatte Loridan die Tür geöffnet, als er zu erstarren schien und warnend die Hand erhob.
»Halt!«, sagte er.
»Was ist geschehen?«, fragte Tan-Thalion, der sich den Rittern genähert hatte, doch schon im nächsten Moment spürte er selbst, was seine Gefährten beunruhigte: Ein Hauch eisiger Luft wehte ihm entgegen, eine Kälte, die nicht zu diesem milden Frühjahrsabend passen wollte.
»Ich weiß es nicht.« Loridan zog sein Schwert und bewegte sich ein paar Schritte in den Stall hinein. Tan-Thalion blickte ihm hinterher und sah, wie der Atem des Ritters zu einer Dunstwolke kondensierte. Im schwindenden
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