Brüder der Drachen
näherten. Loridan, der an der Spitze der Gemeinschaft war, ritt ohne zu zögern in die vor ihnen aufragende Schattenwand hinein.
Als er selbst die ersten Bäume passierte, ließ der Zauberer seine Echse halten, um sich noch einmal umzusehen. Die Wolken aus dem Süden hatten inzwischen einen großen Teil des Himmels erobert, doch noch konnte Eril-Firion sein silbernes Licht über das tiefer liegende Land im Osten ausgießen. Seit langer Zeit hatte Tan-Thalion keine Nacht mehr im Freien verbracht, und der Genuss dieses Anblicks entschädigte ihn ein wenig für die Strapazen der Reise. Während der Zauberer hielt, schloss Tirandor zu ihm auf, und nebeneinander ritten sie weiter durch die Dunkelheit des Waldes. Obwohl die Umrisse der Bäume für die Reiter nur schemenhaft zu erkennen waren, fanden die Echsen ohne zu zögern einen Weg über umgefallene Stämme und zwischen dornigen Gestrüppen hindurch.
»Wir haben schon ein gutes Stück an Höhe gewonnen«, sagte der Heiler. »Aber wir haben noch einen weiten Anstieg vor uns.«
»Ja, und ich hoffe, wir werden bald einmal rasten.« Tan-Thalion blickte in die Richtung, aus der er Tirandors Stimme hörte, er konnte seinen Reisegefährten jedoch nur vage erkennen. »Mir fiel auf, dass Ihr bemerkenswert ruhig wart, als wir das offene Land durchquerten. Kennt Ihr keine Furcht?«
»Doch, ich kenne die Furcht.« Tirandor lachte leise. »Aber ich vertraue auf das Geschick unserer Führer, uns vor Gefahren zu bewahren. Wenn mir diese Sicherheit nicht genügen würde, hätte ich an der Reise nicht teilgenommen.«
»Ihr scheint Euch mehr Gedanken über die Sicherheit dieser Unternehmung gemacht zu haben als ich. Ich hatte immer nur das Ziel vor Augen, und nun sehe ich, dass der Weg mir Angst bereitet. Es freut mich, dass Ihr bei uns seid. Und ich danke Euch, dass Ihr Euch meiner Gruppe angeschlossen habt.«
»Im Gegenteil, ich muss Euch danken. Diese Reise wird eine interessante Erfahrung sein.«
Für ein Stück des Weges lichtete sich der Wald, und das Licht Eril-Firions ergoss sich über die Gruppe der Reiter. Tan-Thalion nutzte die Gelegenheit, um seinen Begleiter nachdenklich zu mustern. Der Heiler mochte vielleicht vierzig Jahre alt sein. Sein Gesicht war bartlos, und sein dunkles Haar fiel zu einem Zopf geflochten tief über seinen Rücken. Er trug ein Schwert, war aber nicht gerüstet – und er hatte sich in einen Umhang in der rostroten Farbe des Königs gehüllt.
»Steht Ihr neuerdings auf der Soldliste des Königs?«, fragte der Zauberer. »Nach allem was ich bisher über Euch hörte, wolltet Ihr nie in den Dienst des Königs treten.«
»Nein, das will ich wirklich nicht«, antwortete Tirandor mit einem leisen Lachen. »Tatsächlich wurde mir mehrfach die Stellung eines Hofarztes angeboten, allerdings halte ich es nicht für meine Bestimmung, mich tagein, tagaus mit den Wehwehchen der Hofschranzen abzuplagen. Diesen Mantel trage ich nur für die Dauer der Reise, ansonsten will ich meine Freiheit behalten.«
»Ihr habt die Tücken des Hoflebens gut erkannt. Meine Stellung als Hofzauberer bringt mir genügend Gold, um mich meinen magischen Experimenten zu widmen, aber sie zwingt mich auch zu manchen Zugeständnissen.«
»Nun, Ihr habt Euch an den König verkauft, und damit müsst Ihr nun leben. Ich kann gehen, wohin ich will, und ich tue, was ich will. Oft bin ich in wilden Gegenden unterwegs und lebe von dem, was die Natur mir bietet. Gold brauche ich nur wenig, und wenn es mir daran mangelt, biete ich meine Dienste für kurze Zeit einem Fürsten oder einem reichen Händler an. Wenn ich auf meinen Reisen Menschen begegne, die meiner Hilfe bedürfen, dann helfe ich, wenn ich es kann, und ich verlange keine Bezahlung dafür. Aber ich bin kein Wohltäter, der ständig nach der Möglichkeit sucht, Gutes zu tun. Ich durchstreife die Welt auf der Suche nach neuen Kenntnissen und Abenteuern, nur zu meiner eigenen Freude. Ein halbes Jahr lang habe ich mich nur dem Studium der Sumpfpflanzen des Südkontinents gewidmet, und auch die Geschichte dieses Landes habe ich für einige Zeit studiert. Dies interessiert jedoch niemanden, weil keiner einen direkten Nutzen davon hat. Es ist wohl mein Schicksal, dass alle nur den Heiler in mir sehen. Ich selbst betrachte mich als einen Forscher und Abenteurer; mein Interesse an der Heilkunst war ursprünglich nur in dem Wunsch begründet, einer bestimmten Person zu helfen – auch wenn ich das letztlich nicht konnte.«
Tan-Thalion
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