Brüder der Drachen
reiten ausgewählte Tiere mit einem besonders guten Spürsinn. Auch wenn wir dies gewöhnlich nutzen, um die Drachen zu jagen, wird es uns während dieser Reise helfen, ihnen aus dem Weg zu gehen. Aber erwartet jetzt nicht von mir, dass ich Euch etwas darüber erzähle, wie alt ein Drache wird oder wie viele Eier er legen kann. Obwohl ich vielen Drachen begegnet bin, weiß ich immer noch nicht, wann ich es mit einem männlichen und wann mit einem weiblichen zu tun habe. Ehrlich gesagt bin ich mir nicht einmal sicher, ob es männliche und weibliche Drachen gibt. Vielleicht stimmt auch die Sage, dass die Drachen direkt aus dem Feuer der Erde geboren werden. Tief im Land der Drachen gibt es einen Berg, aus dessen Gipfel Rauch und Asche heraustreten, und von Zeit zu Zeit schleudert er Flammen in den Himmel hinauf, oder es öffnen sich Spalten, aus denen Ströme von Feuer hervorquellen. Es ist ein faszinierendes Schauspiel – ich selbst habe es einst beobachtet. Und ich sah Drachen, die aus dem Berg emporstiegen und in den feurigen Rauchwolken umherflogen. Vielleicht ist dies der Ort, an dem die Drachen geboren werden. Aber darüber kann uns möglicherweise unser guter Sad Adan mehr sagen. Steht in Euren heiligen Büchern nicht auch eine Menge über die Drachen?«
»Das ist wahr«, verkündete der Priester. Die anderen blickten erwartungsvoll auf die Silhouette des kahlköpfigen Mannes, der nach einer kurzen Pause weitersprach. »Die Bücher der Propheten berichten, dass die Drachen die Kinder des Bösen sind. Thaur-Angoth, dessen Reich in den Tiefen der Erde war, gab seinen finsteren Gedanken die Gestalt von Drachen, um die Menschen damit zu plagen. Und als vor langer Zeit Aeon den Bösen in seine Verbannung in das himmlische Reich jenseits der Sterne schickte, gelang es einigen seiner Diener zu entkommen. Seitdem planen sie, Thaur-Angoth zu befreien, denn der Böse hatte ihnen, vorausschauend wie er war, die Fähigkeit gegeben, zu fliegen und Feuer zu speien. Und eines Tages, so sagt man, würde der größte der Drachen sich hinauf in den Himmel schwingen und mit seinem Feuer die Kette, die den Bösen in seinem Verlies festhält, zum Schmelzen bringen. Dann werden Firion und Thaur-Angoth erneut ihre Kräfte messen, und Firion wird seine Kinder um sich scharen, so wie auch Thaur-Angoth seine Geschöpfe um sich sammeln wird. Und dies wird der Tag sein, an dem diese Welt der Vernichtung anheimfallen wird. Was aus dieser Vernichtung entstehen mag, ist selbst Firion nicht bekannt, denn dies liegt in den Händen Aeons, des Ersten und Ewigen.« Der Priester verstummte kurz und fuhr dann mit einem leisen Lachen fort. »Verzeiht, ich wollte Euch keine Predigt halten. Aber über die weltlichen Gepflogenheiten der Drachen sagen unsere weisen Bücher nur wenig. Die Propheten streiten sich freilich darüber, ob der Böse in der Lage war, seinen Geschöpfen die Gabe der Reproduktion zu geben. Manche sagen, dass diese Macht nur Firion, der Erschaffer, verleihen kann. Denn Er, dessen Gedanken wir entsprangen, gab uns auch einen Teil seiner göttlichen Kraft, um neues Leben zu zeugen. In dieser Frage könnt Ihr vielleicht den Propheten einen Rat geben, Herr Ritter. Ihr habt schon etliche Drachen erschlagen – hattet Ihr je den Eindruck, dass sie weniger werden? Oder habt Ihr jemals einen jungen Drachen erblickt?«
»Gut gesprochen«, sagte Herubald. »Tatsächlich habe ich manchmal den Eindruck, dass die Angriffe der Drachen seltener werden. Wenn allerdings die Sagen wahr sind, dass das eigentliche Reich der Drachen weit im Nordosten liegt, dann spielt es vielleicht nur eine geringe Rolle, wie vielen Drachen wir hier begegnen.«
»Nun, wenn Tan-Thalion mit seinen Plänen Erfolg hat, könnten die Drachenritter ihre neu gewonnene Freizeit dazu nutzen, den Wahrheitsgehalt dieser Sagen zu überprüfen«, sagte Tirandor.
»Warum nicht?«, erwiderte Herubald. »Ich bin jetzt schon lange in der Gilde, und für mich werden die Zeiten als Drachenritter ohnehin bald vorbei sein. Aber unter den jungen Rittern gibt es durchaus einige, die solche Ideen, wie Ihr sie eben ersonnen habt, schon geäußert haben. Dazu kann Loridan vielleicht mehr sagen als ich.«
»Ja, auch ich habe schon davon geträumt, einmal in das wirkliche Reich der Drachen vorzudringen«, sagte Loridan. »Allerdings nicht als Eroberer, sondern als Gast. Ich würde gerne mehr über die Drachen lernen. Vor einiger Zeit hatte ich ein Erlebnis, das mich nachdenklich gemacht
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