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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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hat. Ich war leichtsinnig gewesen, hatte mich kurz von Herubald getrennt und war alleine einem Drachen begegnet. Der Drache flog auf mich zu und traf mich mit einer Klaue. Ich wurde gegen einen Baum geschleudert, und mein Helm flog von meinem Kopf, da ich mich zu sicher gefühlt und zuvor den Gurt gelöst hatte. Der Drache flog eine Kurve und kam zu mir zurück. Ich war wehrlos, zwei Rippen gebrochen, meine Rüstung beschädigt, ich trug keinen Helm. Der Drache hätte mich zerfleischen können oder mich verbrennen, dennoch hat er es nicht getan. Er beugte sich über mich, schien mich zu beschnüffeln, und dann wandte er sich ab und flog davon.«
    »Aber wie passt das Verhalten, das Ihr uns eben beschrieben habt, zu einem Geschöpf, dessen einziger Lebensinhalt die Vernichtung von Firions Kindern sein sollte?«, fragte Tirandor.
    »Diese Frage habe ich mir natürlich selbst gestellt, immer und immer wieder«, sagte Loridan. »Doch ich bin bisher noch zu keinem Ergebnis gekommen. Vielleicht hat Sad Adan eine Erklärung für uns?«
    »Sicherlich hat Firion seine schützende Hand über Euch gehalten«, antwortete der Priester. »Denn vor seinem Willen müssen selbst die Drachen weichen.«
    »Nun, das mag sein«, sagte der Heiler. »Trotzdem frage ich mich, warum die Gilde der Drachentöter sich sonst so wenig auf Firions Beistand verlässt. Nach allem, was ich gehört habe, stammen die Waffen der Drachenritter von einem Zauberschmied und sind nicht von Firions Priestern gesegnet.«
    »Es mag neben Firion noch andere Mächte in dieser Welt geben, die Großes bewirken«, sagte Sad Adan.
    Verwundert blickte Tan-Thalion zu dem Priester hin, denn ein merkwürdiger Unterton schwang in dessen Stimme mit, doch in der Dunkelheit der Nacht blieben alle Gesichtszüge verborgen. Für eine Weile schwiegen die sechs Männer, und sie hörten, wie das leise Rauschen fallender Tropfen den Wald durchdrang. Herubald erhob sich und trat ein paar Schritte unter den Zweigen der Tanne hervor, unter der sie sich versammelt hatten.
    »Der Himmel scheint verhangen zu bleiben«, sagte er. »Wir sollten für den Rest der Nacht hier rasten, und unseren Weg morgen im Licht des Tages fortsetzen.«
    Die Reisenden kehrten zu ihren Reittieren zurück, um diese von ihren Lasten zu befreien. In tiefer Dunkelheit breiteten die Männer unbeholfen ihre Decken aus und legten sich dicht beieinander unter die Zweige der großen Tanne, wo sie vor Wind und Regen notdürftig geschützt waren.
    *
    Tan-Thalion spähte angestrengt in die Dunkelheit hinaus, und seine Augen gaukelten ihm mysteriöse Umrisse vor, die er immer wieder fälschlich für das Kommen der Dämmerung gehalten hatte. Immer noch erfüllte das Geräusch fallender Tropfen den Wald, auch wenn der Regen inzwischen nachgelassen hatte. Gegen Loridans Rat hatte Tan-Thalion darauf bestanden, sich an den Nachtwachen zu beteiligen, und nun bereute er diesen Eigensinn schmerzlich. Man hatte ihm die letzte Wache vor dem Sonnenaufgang zugeteilt, sodass er immerhin etwa fünf Stunden ohne Unterbrechung hatte schlafen können, doch es war kein ruhiger Schlaf gewesen. Er vermisste die weichen Polster seines heimischen Bettes, und unter seinen Ledermantel war Feuchtigkeit gedrungen, sodass sein Gewand sich nun kalt und nass anfühlte. Von Zeit zu Zeit erklangen aus verschiedenen Richtungen die klagenden Laute von Vögeln, so als würden auch diese unter der feuchten Kälte leiden. Der Zauberer fragte sich, welchen Sinn es überhaupt hatte, Wache zu halten, denn wer sollte sich schon in der absoluten Finsternis dieser verregneten Nacht ihrem Lager nähern? Und wenn sich jemand nähern würde, wie sollte ein Wachposten ihn sehen oder hören? Aber die Anweisungen von Herubald waren klar gewesen: Man sollte den eigenen Sinnen weniger vertrauen als denen der Craith-Echsen, denn diese würden sich bemerkbar machen, wenn sie etwas Ungewöhnliches spürten. Nicht nur die Drachen hatten sie zu fürchten, sondern auch räuberische Tarth-Echsen, die in den wilden Landen heimisch waren.
    Es dauerte eine Weile, bis sich aus den vagen Schemen der Nacht der Umriss eines Craith-Kopfes herausschälte, der Tan-Thalion unbeweglich entgegenblickte. Es war beruhigend, die Augen auf etwas richten zu können, und nach und nach verstärkte sich das Licht so weit, dass der Zauberer seine Gefährten deutlich erkennen konnte. Die beiden Drachentöter schliefen in voller Rüstung in halb sitzender Lage, die Rücken gegen ihre Sättel gelehnt.

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