Brüder der Drachen
Äckern und Wiesen hindurch auf ein kleines Gehöft zuführte. Das Ufer war gesäumt von Büschen und Bäumen, die das erste Grün des Frühlings trugen. Aus dem Unterholz heraus waren die quiekenden Pfeiftöne von Halas und das Zwitschern anderer Vögel zu hören. Neugierig betrachtete Danira die Gebäude, denen sie mit raschen Schritten entgegenstrebte. Das musste der Hof sein, auf dem Timon lebte.
Elea und Aldaron waren verwundert gewesen, als Danira beim Morgenmahl ihren Wunsch geäußert hatte, an diesem Tag nach Ber-Sedion zu gehen, doch sie hatten nicht widersprochen. Bevor sie zu ihrer Wanderung aufgebrochen war, hatte Danira noch die kleine Echse gefüttert und Grimstan bei ein paar Arbeiten geholfen. Sie hatte gefürchtet, dass der alte Mann ihr unangenehme Fragen über den Zweck ihres Ausflugs stellen würde, aber er hatte sie nur kurz mit gerunzelter Stirn betrachtet und sich dann wieder seiner Arbeit zugewandt.
Es war nicht schwer gewesen, den kleinen Ort zu finden. Aldaron hatte ihr die Wegbeschreibung bestätigt, die Timon ihr zuvor gegeben hatte. Nach Westen und Süden zog der Weg sich hin, über den Grünechsenfluss hinweg und dann weiter durch flaches und fruchtbares Land. Der Weg hatte sie am Ortskern von Ber-Sedion vorbeigeführt, einer kleinen Ansammlung von nicht mehr als zwanzig Häusern. Das nächste Gehöft dahinter musste nun Timons Zuhause sein. Fast zwei Stunden hatte Danira für den Weg gebraucht, und es war in dieser Zeit bedeutend wärmer geworden. Schon auf halbem Wege hatte sie den Überwurf aus dünnem Echsenleder ausgezogen, den sie über ihrem Kleid getragen hatte. Auf ihrem Rücken trug sie eine zusammengerollte Decke, in der ihr Schwert verborgen war, denn sie hatte beschlossen, von nun an die Waffe immer in ihrer Reichweite zu behalten.
Das Gehöft, dem sie sich näherte, war kleiner als das von Elea und Aldaron und besaß auch keine Umgrenzungsmauer. Danira sah nur ein Wohnhaus, einen Stall und einen Schuppen vor sich. In einem Pferch, der an das Stallgebäude angrenzte, drängten sich ein paar große Sandechsen. Viel größer waren sie als die wild lebenden Tiere, die die Bewohner von Car-Elnath in Fallen fingen.
Als Danira die Fläche zwischen den Gebäuden betrat, hörte sie plötzlich ein lautes Keckern. Der große Arath, den sie schon in Car-Tiatha getroffen hatte, sprang aus dem Stall hervor und raste auf sie zu. Danira blieb stehen und hoffte, dass Gorm das Gleiche tun würde, wenn er sie erreichte. Der Arath stoppte tatsächlich, sprang dann aber an Danira hoch, um mit seiner Schnauze ihr Gesicht zu berühren. Beim Versuch, der ungestümen Begrüßung zu entgehen, verlor Danira das Gleichgewicht und setzte sich unsanft auf den staubigen Boden. Gorm nutzte die Gelegenheit, um sich über sie zu beugen; der rot gemusterte Kopf war ihr ganz nah, und der Arath blickt mit seinem merkwürdig intelligenten Ausdruck auf sie herunter. Dann kam er noch näher und Danira fühlte die dünne, kitzelnde Zunge in ihrem Gesicht.
»Hierher, Gorm!«, ertönte eine Stimme aus dem Stall. Der Arath ließ von dem Mädchen ab und sprang ein paar Sätze in Richtung auf das Gebäude, auf halbem Wege drehte er sich allerdings wieder um und gab seinen keckernden Ruf von sich. Danira wischte sich mit ihrem Ärmel das Gesicht ab und stand auf. Vom Stall her kam ihr ein kleiner kräftiger Mann in schmutziger Kleidung entgegen; er hatte eine Halbglatze und trug ein breites Grinsen zur Schau.
»Ruhe jetzt, Gorm«, sagte er. »Ich hoffe, dir ist nichts passiert, Mädchen?«
»Nein«, sagte Danira. »Ich suche nach Timon. Wohnt er hier?«
»Ja, er wohnt hier. Ich bin Dorban, sein Vater.«
»Ich heiße Danira. Ist Timon zu Hause?«
»Er ist auf dem Feld und jätet Unkraut. Du kannst ihn von hier aus sehen, dort auf der anderen Seite des Baches.«
Danira bedankte sich und ging ein Stück an dem Bach entlang, in die Richtung, die Dorban ihr gewiesen hatte. Bald fand sie zwischen den Sträuchern der Uferböschung eine verwitterte Holzlatte, die offenbar als Brücke diente. Auf der anderen Seite sah sie eine kleine Gruppe von Menschen, die sich langsam durch das Feld bewegten und sich von Zeit zu Zeit bückten oder mit Hacken den Boden bearbeiteten. Vorsichtig balancierte sie über die behelfsmäßige Brücke, dann rief sie Timons Namen und winkte ihm zu. Überrascht sah der Junge auf, und als er Danira erkannte, kam er rasch zu ihr.
»Danira! Was machst du denn hier?«
»Ich muss mit dir reden,
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