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Brüder Des Zorns

Brüder Des Zorns

Titel: Brüder Des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Kopfschmerzen verliehen ihr das unerwünschte Gefühl, gebrechlich und sterblich zu sein. Gereizt rief sie eine der Dienerinnen zu sich, die ihr die Schultern und den Nacken massieren sollte. Manchmal half das.
    »Wirst du den Bau der neuen Brücke begutachten, Herrin?« fragte die Sklavin.
    »Wenn diese Kopfschmerzen nachlassen«, antwortete Larissa. Es handelte sich um ihr neuestes Vorhaben. Die Hauptstadt war zu beiden Seiten des Flusses erbaut worden, und seit Jahrhunderten hatten sich die Könige von Chiwa damit begnügt, mit Hilfe einfacher Fähren von einem Ufer zum anderen zu gelangen. Es überstieg Larissas Vorstellungsvermögen, weshalb sie prunkvolle Tempel und Grabmäler aus unvergänglichem Stein errichteten, sich aber Fähren bedienten, die gerade gut genug für ein armes Dorf aus Lehmhütten waren.
    Die große Brücke war nur eine von zahlreichen Neuerungen. Larissa hatte die großen Manufakturen von Neva gesehen und bestand darauf, dass ihr Reich jenem von Shazad in nichts nachstand. Ein neuer Hafen mit überdachten Werften und getrennten Becken für den Handel und die Kriegsmarine befand sich bereits im Bau. Außerdem würde die Hauptstadt bald über einen überdachten Marktplatz mit geräumigen Magazinen verfügen. Sämtliche großen Städte des Reiches sollten ähnlich ausgebaut werden und in Zukunft durch gepflasterte Straßen miteinander verbunden sein.
    Im alten Königreich Chiwa hatten die Königsfamilie, die Edelleute und die Priester in unvorstellbarem Prunk über eine in bitterer Armut lebende Masse geherrscht. Larissa fand, dass ihr gesamtes Reich prunkvoll anzusehen sein sollte. Ihr Gemahl benötigte unzählige Krieger für seine Eroberungen. Einfaches Volk und Sklaven mochten für die alltäglichen Arbeiten notwendig sein, aber es gab keinen Grund, warum sie den Blicken der herrschenden Rasse zuwider sein mussten.
    »Soll ich die Sänfte bringen lassen?« fragte die Sklavin. Larissa hatte sich früher am liebsten zu Fuß fortbewegt, aber die Chiwaner waren daran gewöhnt, Herrschern zu gehorchen, die sich von ihren Untertanen tragen ließen. In den letzten Monaten hatte sie daran Gefallen gefunden. Schließlich war es recht passend, durch die Muskelkraft des Volkes emporgehoben zu werden. Sklaven hatten ihr Schicksal verdient und mussten immer wieder daran erinnert werden. Wie die chiwanischen Adligen hatte auch Larissa Sänftenträger ausgesucht, die stark, geschickt und stattlich waren.
    »Ja, sie sollen sich bereithalten.« Die Schmerzen ließen allmählich nach. Die Sklavin gehörte zu ihren ersten Erwerbungen auf dem Festland, und das Massieren war nur eine von vielen Fähigkeiten, auf die Larissa keinesfalls verzichten wollte. Sie verließ sich in zunehmendem Maße auf ihre Diener, da sie von Tag zu Tag mehr zu tun hatte.
    Sie musste zugeben, dass der Tag für einen Ausflug wie geschaffen war. Das leichte Schaukeln der Sänfte wirkte beruhigend, und die Wolken milderten die unbarmherzigen Sonnenstrahlen. Die Straßen der Stadt hatte sie blitzsauber kehren lassen. Die Schönheit des Ortes war durch den entsetzlichen Gestank verdorben worden, der sie und ihren Gemahl bei ihrem Einmarsch empfing. Der Schmutz vieler Menschen und Tiere, vermischt mit dem Rauch der Tempel, hatte die Luft in stinkenden Nebel verwandelt, obwohl überall tonnenweise Weihrauch verbrannt wurde.
    Die Stadt war uralt und oftmals umgebaut worden. Viele Gebäude bestanden aus Steinen, die einst zu Häusern längst vergangener Zeiten gehörten. Es gab Statuen lange vergessener Könige und Bildnisse von Göttern, die niemand mehr verehrte. Prächtige Paläste der Reichen überragten die Elendsviertel, und in den Außenbezirken wurden die Lehmhütten der Armen oftmals von wundervoll angelegten und gepflegten Gärten, Obstwiesen und Feldern umgeben.
    Als sie die Baustelle erreichte, warfen sich herumlungernde Gaffer bei ihrem Anblick ehrerbietig zu Boden. Der königliche Aufseher und die ausländischen Baumeister verneigten sich tief, als die Sklaven die Sänfte vorsichtig absetzten.
    »Willkommen, meine Königin«, begrüßte sie der Aufseher, der einst ein chiwanischer Gildenmeister gewesen war. »Du kommst gerade rechtzeitig. Heute setzen wir den Schlussstein des ersten Brückenbogens ein.«
    »Deshalb bin ich hier«, erklärte sie. Die Ausländer redeten über die Baukunst, Gewichte, Material und dergleichen. Sie hörte nur mit halbem Ohr zu, da sie solche Dinge selten begriff, war aber zufrieden, weil die Leute

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