Brüder Des Zorns
Mann gellend, dann redete er.
»Er war nur der Späher eines Kommandanten aus dem Süden«, erklärte Pirscherin und zeigte Gasam die blutigen Trophäen. »Ein paar Fischer sahen von fern den Rauch, als die Stadt Marn brannte, und flohen flussabwärts. Der Kommandant hielt es nicht für notwendig, mehr als einen Späher auszusenden. Seine Garnison ist dreimal so groß wie die Besatzung von Marn und verfügt über eine Gruppe berittener Boten, denen es gelingen könnte, unser Kommen zu verraten.«
»Gut gemacht, Pirscherin«, lobte Gasam. »Wieder einmal hast du dich als beste Späherin erwiesen. Ich hoffe, du fängst morgen noch einen Spion.«
Lächelnd zog sich die Frau zurück, um vor ihren Gefährtinnen zu prahlen. Wieder einmal beglückwünschte sich Gasam zu seiner Weisheit und Voraussicht, die weiblichen Krieger in seinen Dienst genommen zu haben. Als er noch ein Verbündeter des Königs von Chiwa war, hatte er sich um die weiblichen Truppen bemüht, die ursprünglich dem Chiwaner dienten. Glücklich, weil sie endlich ein wahrer Krieger anführte, waren sie sogleich zu ihm übergelaufen. Seine anderen Gefolgsleute fanden die Frauen abstoßend, aber gerade deshalb mochte er sie umso lieber.
»Die berittenen Boten könnten uns Schwierigkeiten bereiten, mein König«, bemerkte Raba, ein mit Narben übersäter älterer Shasinnkommandeur, der Gasam bereits auf den ersten Feldzügen begleitet hatte.
»Ich kommandiere eine kleine Truppe und ein paar Bogenschützen ab. Sie sollen vorauseilen und auf der Straße südlich der Stadt Stellung beziehen. So können sie sämtliche Boten abfangen. Wenn trotzdem welche durchkommen …« Er zuckte die Achseln. »Dann werden sie Luos Truppen in die Hände fallen. Bestimmt hat er inzwischen den Fluss erreicht. Wenn nicht, fangen Urliks Reiter die Boten ab.«
»Vielleicht schwimmen sie durch den Fluss«, gab Raba zu bedenken.
»Mag sein, aber selbst wenn sie die Hauptstadt erreichen, kommen sie nicht rechtzeitig genug, um König Mana einen Vorteil zu verschaffen. Es wäre viel netter, unangemeldet vor den Toren der Stadt zu stehen, aber eine Vorwarnung hat auch ihr Gutes. Er wird seine Truppen zur Verteidigung der Hauptstadt zusammenziehen, und dort können wir dann alle auf einmal erledigen. Ansonsten würden die Gebietskommandeure vielleicht auf eigene Faust vorgehen, und wir müssten uns einzeln mit jedem beschäftigen, was viel zu umständlich wäre.«
Raba warf einen Ast ins Feuer und nahm den Weinkrug entgegen, den ihm ein Gefährte reichte. Jetzt, da ein wenig Blut geflossen war, entspannten sich die Krieger. Außerdem hatten Offiziere gegenüber den einfachen Soldaten gewisse Vorrechte. Er nahm einen Schluck des herben Weines und dachte über die Worte des Königs nach.
»Bist du sicher, dass er sich vor der Stadt zur Schlacht stellt, mein Gebieter?« fragte er schließlich.
»Ganz sicher. Es ist eine Eigenart dieser Festlandkönige, stets die Hauptstadt zu verteidigen, anstatt sich auf einem selbst gewählten Schlachtfeld dem Feind zu stellen. Das ist eine ihrer größten Schwächen. Sie hängen sehr an ihren schönen Städten und glauben, der Krieg sei verloren, wenn der Feind die Hauptstadt besetzt. Deshalb ist es wichtig, tief in ihr Land vorzudringen, ehe der König Zeit hat, seine Truppen zu sammeln. Gibt man ihnen die Gelegenheit, marschieren sie rechtzeitig los, um die Grenzen zu schützen. Sobald man die Hauptstadt bedroht, denken sie an nichts anderes mehr.«
»Unglaublich«, bemerkte ein Shasinnoffizier von der Qualleninsel, dessen Haar in drei dicke Zöpfe geflochten war. »Warum schenken sie uns die Königreiche nicht einfach, anstatt auf so närrische Art und Weise Krieg zu führen?« Der König und seine Offiziere lachten vergnügt.
»Es ging so lange gut, wie sie nur untereinander kämpften«, erklärte Gasam. »Angesichts eines Feindes, der sich nicht um ihre Bräuche schert, sind sie unfähig, sich umzustellen. Deshalb müssen wir schnell angreifen und sofort siegen. Leider lernen sie aus ihren Fehlern. Junge Kommandeure rücken nach, wenn wir die alten getötet haben. Bei einem Eroberungskrieg ist die Schnelligkeit ausschlaggebend.«
KAPITEL FÜNF
K önigin Larissa litt an quälenden Kopfschmerzen. Das geschah zum dritten Mal in diesem Monat und ärgerte und erschreckte sie. Ihr Leben lang hatte sie sich bester Gesundheit erfreut, Krankheiten nicht gekannt und sich von Verletzungen im Handumdrehen erholt. Die heftigen
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