Brüder Des Zorns
herankam, ehe er sie entdeckte. Schritt für Schritt näherte sie sich dem Fremden. Dabei überlegte sie, auf welche unterhaltsame Weise sie ihm den nahenden Untergang deutlich machen würde. Vielleicht ein gellender Kriegsschrei? Oder ein sanftes Antippen an der Schulter mit der Speerspitze? Noch während sie nachdachte, spannten sich seine Nackenmuskeln. Langsam wandte er den Kopf zur Seite. Sie erstarrte, wusste aber, dass er sie sah. Also schenkte sie ihm ein furchterregendes Grinsen und ließ die Bronzespitzen ihrer Zähne sehen. Er wirbelte herum, die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen, als sei ein Dschungeldämon zum Leben erwacht und stünde keine zehn Schritte hinter ihm.
Trotz des Schreckens verschwendete er keine Zeit. Mit einem großen Satz, den sie nicht erwartet hatte, sprang er nach links und rannte in den dichten Busch. Pirscherin setzte ihm nach. Sie lächelte zufrieden. Das war der Teil, der ihr am besten gefiel: die Jagd. Das lautlose Anpirschen war auch nicht schlecht, aber die schnelle Verfolgung der Beute barg einen erotischen Reiz, der jeden Nerv ihres Körpers vibrieren ließ.
Nun brauchte sie nicht mehr nach Zeichen Ausschau zu halten. Sie hörte ihn und erhaschte von Zeit zu Zeit einen Blick auf den schweißbedeckten Körper, während er sich Mühe gab, sie abzuhängen. Er war ein guter Läufer, aber sie war besser. Bald würde er ermüden und glauben, er hätte es geschafft. Absichtlich hielt sie sich im Hintergrund, damit er sie bei gelegentlichen Blicken über die Schulter nicht erspähte.
Ihre langen Beine flogen geradezu über den Boden, und der geschmeidige Körper bog sich mit der Eleganz einer Schlange, um dem dichten Buschwerk auszuweichen, das gewöhnliche Menschen nur mit einem Buschmesser besiegt hätten. Immer wieder hielt sie nach Fallen Ausschau. War ihr Opfer ein erfahrener Spion, hatte er einen Fluchtweg vorbereitet.
Als sie an den Geräuschen merkte, dass der Fremde langsamer wurde, verringerte auch sie ihr Tempo und atmete tief durch. Der Schweiß lief ihr in Strömen über den Körper, aber sie bewegte sich so flink und behände wie zuvor. Als der Mann langsamer lief, schlich sie im Halbkreis um ihn herum. Ein wahrhaft vergnügliches Erlebnis stand ihr bevor.
Wenige Augenblicke später betrat der Spion eine Lichtung. Die Nachmittagssonne schien durch eine Lücke des grünen Blätterdaches. Die schweißbedeckte Brust hob und senkte sich heftig, und er spähte über die Schulter, ehe er die freie Fläche überquerte. Als er wieder nach vorne blickte, traten ihm die Augen vor Entsetzen aus dem Kopf, als Pirscherin unversehens vor ihm auftauchte.
»Wer ist dein Herr, Spion?« zischte sie. »Wer hat dich geschickt, das Heer des Königs zu beobachten?«
Der Mann keuchte noch einmal und griff an. Mit gezücktem Messer und wirbelnder Kriegsaxt sprang er auf sie zu. Aufgrund seiner Erschöpfung glich der Sprung eher einem kläglichen Taumeln. Sie wich ihm mit Leichtigkeit aus und stieß ihm den Speerschaft zwischen die Beine. Mit einem Schrei fiel er auf die Knie. Als er die Arme ausbreitete, um den Sturz abzufedern, hielt sie die an das Handgelenk geschnallte Kriegsaxt fest und schnitt die Bänder durch. Noch ehe er an Gegenwehr denken konnte, versetzte sie ihm einen Schlag auf den Hinterkopf, und er sank bewusstlos zu Boden. Grinsend machte sich Pirscherin an die Arbeit.
Als der Spion mit dröhnendem Schädel und flauem Gefühl im Magen erwachte, war er an vier im Boden steckende Pfähle gefesselt und vollkommen nackt. Nachdem seine Benommenheit verflogen war und er den tödlichen Ernst seiner Lage begriff, weiteten sich seine Augen vor namenlosem Entsetzen. Pirscherin beugte sich mit tückischem Lächeln über ihn, und er wusste, dass er in die Hände einer bösen Macht gefallen war.
»Also, Spion«, sagte sie, »in wessen Dienst stehst du?«
»Ich … werde … nicht …« Er sprach mit starkem Akzent und undeutlich, aber sie verstand ihn.
»Was wirst du nicht?«
»Nicht mit dir reden«, erklärte er und reckte das Kinn vor. Ihm war bewusst, dass er sterben musste. Verwundert beobachtete er, wie sie sich zwischen seine gespreizten Beine stellte und schließlich in die Knie sank.
»O doch, du wirst reden, mein kleiner Spion.« Mit der einen Hand zückte sie ihr Messer, mit der anderen packte sie sein Geschlechtsteil und die Hoden und setzte die scharfe Klinge an. »Du wirst mir sagen, was mein König wissen will. Niemand widersetzt sich ihm.«
Zuerst schrie der
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