Brüder Des Zorns
als ebenso nutzlos erweisen.«
Ansa beschloss, sich bei Gelegenheit mit dem Kaufmann zu unterhalten, der bemerkenswert gut im Bilde zu sein schien.
Ein Nuskhändler näherte sich Fyana und klagte über Schmerzen im Kiefer. Sie sah ihm in den Mund und tastete die Schwellung ab, worauf er zusammenzuckte.
»Ein schlichter Zahnschmerz«, erklärte die junge Frau. »Eine einfache Sache. In der nächsten Stadt suchst du einen Zahnreißer auf. Wenn es keinen gibt, gehst du zu einem Schmied. Der Zahn muss raus, wenn du die gesunden Zähne retten willst.«
»Aber das tut weh!« klagte er. Die übrigen Männer lachten, und er warf ihnen böse Blicke zu.
»Es geht schnell, und der Schmerz verschwindet bald. Außerdem ist das nichts verglichen mit dem, was dich erwartet, wenn du es nicht machen lässt.«
Andere Reisende kamen, um sich untersuchen zu lassen. Zu Ansas Erstaunen legte Fyana die Fingerspitzen auf die Stirn des Betreffenden und sagte ihm nach einer Weile, was ihm fehlte. Es gelang ihr nicht bei allen, aber mehr als der Hälfte riet sie zu bestimmten Heilkräutern und Tränken. Später ging Ansa zu ihr.
»Du hast mir nicht gesagt, dass du eine Heilerin bist.«
»Das bin ich auch nicht«, widersprach sie. »Wahre Heiler sind selten, sogar bei meinem Volk. Viele von uns sind jedoch in der Lage, Geschwüre und innere Verletzungen zu erkennen, wenn auch nicht immer. Zum Beispiel erkennen wir nicht, ob jemand an Würmern leidet, sondern stellen nur den Schaden fest, den sie anrichten. Manchmal ist es sehr bedrückend. Erinnerst du dich an den Mann, der mit Leibschmerzen zu mir kam?«
»Ja.«
»Er hat eine Geschwulst im Magen, die ihn innerhalb eines Jahres töten wird, aber wozu hätte ich es ihm sagen sollen? Es gibt keine Heilung, und deshalb empfahl ich ihm Mittel gegen die Schmerzen. Mehr kann ich in diesem Fall nicht tun.«
»Es klingt eher wie eine Last als eine Gabe.«
»So ist es.«
Am nächsten Morgen setzten sie die Reise fort. Die meisten Händler befanden sich auf dem Weg zur Hauptstadt Kwila. Da die Karawane nur langsam vorankam, würden sie erst in zwanzig Tagen dort eintreffen, aber trotzdem mochte niemand den Schutz der großen Gruppe missen. Als Teil einer so gemischten Gesellschaft fühlten sich auch Ansa und Fyana sicher und unauffällig. Ihre Pläne setzten sie nicht unter Zeitdruck, und so gab es keinen Grund, durch das Land zu eilen. Stattdessen konnten sie die Reise durch eine ungewöhnliche und vielfältige Landschaft genießen.
Ansas Zeitgefühl richtete sich mehr nach Jahreszeiten als bestimmten Tagesetappen. Solange er sein Ziel erreichen würde, bestand kein Grund zur Eile. In diesem seltsamen Land gab es viel zu sehen. Die Menschen schienen sich unablässig mit Ritualen zu beschäftigen, und jegliches Tun wurde von verworrenen Gesten begleitet, die er nicht verstand. Fortwährend murmelten die Leute Verse, Gebete und Bitten vor sich hin. Sie liebten Amulette, Glücksbringer und Weihrauch. Viele schwangen kleine Räucherfässchen hin und her, und einige trugen sogar kleine Weihrauchkessel in der Hutspitze.
Einmal erkundigte er sich bei Samis nach diesen Gebräuchen.
»Ich würde nicht sagen, dass der Lohn für die ganze Zeit und Inbrunst, die sie auf ihre Rituale verwenden, überreichlich ist«, antwortete der Kaufmann. »Ich weiß nicht viel über ihre Religion, und sie reden nicht davon.
Es gibt zahllose Götter, Dämonen und Geister. Sie alle müssen verehrt und angebetet werden. Mir erscheint das schrecklich aufwendig, aber den Menschen hier gefällt es.«
»Mein Volk erweist den Geistern Respekt«, erklärte Ansa. »Allerdings haben wir vergleichsweise schlichte Zeremonien. Ist es wahr, dass man hier auch Menschen opfert?«
Samis sah sich nach allen Seiten um, ob auch kein Granianer in Hörweite stand. »Ja, das stimmt«, sagte er leise. »Fremde sind bei diesen Ritualen aber nicht zugelassen. Ich rate dir, dich nicht zu sehr damit zu beschäftigen. Man hört immer wieder Geschichten von Fremden, die seltsamerweise genau dann spurlos verschwanden, als solche Opfer stattfanden.«
»Es hört sich gefährlich an, inmitten dieses Volkes zu leben.«
Der Kaufmann winkte abwehrend. »Gerüchte, nur Gerüchte. Ich selbst habe nichts in der Art erlebt. Menschen neigen dazu, Alltägliches zu übertreiben, obwohl sie in Wirklichkeit von weitaus größeren Gefahren umgeben sind.«
Ansa duckte sich, als ein Fiederflieger, der einen winzigen Vogel verfolgte, dicht über ihn
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