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Brüder Des Zorns

Brüder Des Zorns

Titel: Brüder Des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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sich schlagender Schwanz und ein schuppiger Leib durchbrachen die glatte Wasseroberfläche. Sekundenlang erblickte der junge Mann eine lange, weit aufgerissene Schnauze mit blitzenden Zahnreihen, die sich um einen silbrig glänzenden, zuckenden Fisch schlossen. Dann verschwand die Bestie wieder unter Wasser. Nur Wellen und Strudel blieben zurück und verschlangen herabgefallene Blätter. Doch schon wenige Augenblicke später setzte der Fluss seinen gemächlichen Weg zu einem fernen Ozean fort, als sei nichts geschehen.
    »Was war das?« fragte er verwirrt.
    »Etwas Großes und Böses«, lautete die Antwort. »Sei froh, dass es lieber im Wasser lebt.«
    Bisher sind wir zügig vorangekommen, dachte Ansa, der an die endlosen Weiten der Steppe gewöhnt war.
    Allerdings hatte sich die Landschaft auffallend verändert. Südlich der Schlucht fiel das Land stark ab, und jeder neue Tag führte sie in ein Gebiet mit wärmerem Klima und unbekannter Vegetation. Am deutlichsten war die zunehmende Luftfeuchtigkeit zu spüren. Schon nach kurzer Zeit erlebten sie heftige, aber nur kurz andauernde Regenfälle und überquerten mindestens einen Fluss am Tag, oft sogar mehrere. Immer häufiger mussten sie Sumpfgebieten ausweichen, in deren Nähe die Moskitos zur Plage wurden. Fyana besaß eine Salbe, die ein wenig Linderung brachte, aber so entsetzlich roch, dass Ansa nicht sicher war, ob er sie den Insekten vorziehen sollte.
    Vor zwei Tagen hatte er zum ersten Mal in seinem Leben einen Dschungel gesehen. Noch erstaunlicher als die üppige Vegetation war die überwältigende Fülle des Lebens ringsumher. In der Steppe hatte er sich an den Anblick des Wildes und großer Viehherden gewöhnt. Während der Wanderperiode sah man häufig Tausende von Tieren durchs Land ziehen. Stets handelte es sich jedoch um große Viehherden.
    Hier im Dschungel erhaschte man mit einem Blick ein Dutzend oder mehr der verschiedensten Lebewesen gleichzeitig. Außer den widerwärtigen Insekten gab es in den Kronen der Bäume Vögel, Schmetterlinge und Reptilien, Baummännchen unterschiedlicher Art und Säugetiere in Hülle und Fülle. Die meisten Raubtiere waren Großkatzen.
    Die Natur schien großes Vergnügen an willkürlichen Experimenten zu besitzen, denn zahlreiche Kreaturen verließen die ihnen ursprünglich zugedachten Lebensräume. Aus der heimischen Steppe kannte Ansa flugunfähige Vögel, und in der großen Wüste nördlich der Stahlmine hatte er Fiederflieger gesehen, die gruppenweise auf Jagd gingen. Hier stieß er auf Fiederflieger, die im Wasser schwammen. Ein Reptil mit Spinnenbeinen hatte den Schwanz um einen Ast geschlungen, hing mit dem Kopf nach unten und jagte vorüberfliegende Vögel. Eine seltsame Baummännchenrasse konnte mittels einer breiten Membrane, die sich zwischen Armen und Beinen erstreckte, von Baum zu Baum gleiten. Mit dem Schwanz, der wie ein flaches Paddel geformt war, hielten sie das Gleichgewicht.
    »Nun, du wolltest doch seltsame Dinge erleben«, meinte Fyana, als Ansa noch immer auf die Stelle starrte, an der das Reptil im Wasser verschwunden war.
    »Die Tiere an Land waren eher klein«, erwiderte Ansa. »In den Flüssen ist es umgekehrt. Ich glaube, ich werde für geraume Zeit nicht schwimmen.«
    »Eine kluge Entscheidung.« Sie deutete zum südlichen Ende der Brücke. »Ich glaube, wir begegnen gleich dem ersten Beamten der Regierung von Gran.«
    Am Ende der Brücke stand eine kleine Hütte aus Holz und Lehm. Als ihre Cabos die Hufe auf den festgestampften Boden setzten, trat ein Mann heraus. Er war beleibt, fast schon fett, und trug ein kunstvoll besticktes Lendentuch mit breiter Schärpe, die bis weit über die Hüften reichte. Ein breitkrempiger Strohhut, dessen obere Hälfte aus einer Krone bestand, beschattete das braune, eiförmige Gesicht.
    Die Nase war lang und wulstig, der Mund breit, doch ohne deutlich erkennbare Lippen. Der Mann schielte, was Absicht zu sein schien, denn von der Hutkrempe baumelte ein gelbes Band vor seinen Augen hin und her, auf das sich der Fremde konzentrierte. In der Hand hielt er eine Tafel und einen Stift und trug ein unverkennbar offizielles Benehmen zur Schau.
    »Eure Namen, bitte!« sagte er ohne Einleitung. Er sprach mit so starkem südlichen Akzent, dass Ansa genau hinhören musste, um ihn zu verstehen. Die beiden jungen Leute stellten sich vor.
    »Euer Begehr?« Er kritzelte etwas auf die Tafel.
    »Ich handle mit Schluchtarzneien«, erklärte Fyana und deutete auf die Bündel, die

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