Brüder Des Zorns
ehrerbietig, wie ihr es wahren Königen gegenüber seid. Wir kennen die Pläne der Wilden, die Gran betreffen, nicht, wollen sie aber in Erfahrung bringen. Im Augenblick sind unsere Beziehungen nicht gespannt, und das soll auch so bleiben. Benehmen sich die Königin oder ihre Untertanen unhöflich und grob, müsst ihr daran denken, dass es sich um Barbaren handelt, die weder kultiviert noch wohlerzogen sind. Lasst euch nicht verärgern und zeigt keinen Unmut. Beleidigungen können wir später zurückzahlen, wenn die Zeit gekommen ist.«
Er ritt zu den versammelten Dienern und Kriegern hinüber und wandte sich ihnen zu.
»Männer, wir begeben uns in die Gesellschaft Wilder, aber wir reisen in friedlicher Mission. Vergesst das nicht! Die Barbaren dort drüben gehören keiner disziplinierten Armee an, wie es bei euch der Fall ist. Es handelt sich um eine bunt gemischte Horde, den Abschaum und Auswurf vieler Nationen, die der Pirat unterwarf. Die Inselkrieger der Shasinn sind für ihren Stolz und ihre Überheblichkeit berüchtigt. Ihr müsst jedwede Beleidigung erdulden und dürft euch unter keinen Umständen auf einen Kampf einlassen. Wenn den Gesandten König Gasams der Verlauf der Verhandlungen missfällt, stacheln sie ihre Leute wahrscheinlich auf, euch zu reizen, damit ihr die Waffen zieht. Auf diese Weise können sie behaupten, wir hätten die Verhandlungen gestört. Das ist ein alter Trick, und aus diesem Grund nehmen wir Elitesoldaten als Eskorte mit und keine gewöhnlichen Truppen. Ihr seid Männer guter Herkunft, hervorragend diszipliniert und beherrscht. Denkt daran, was ich euch sagte, und zeigt diesen Barbaren, wie sich edle Krieger benehmen.«
Anschließend ritten sie in prunkvollem Aufzug den Abhang hinab. Standartenträger schritten voraus, und jeder Mann war in seine feinsten Gewänder gekleidet. Musiker mit Flöten, Trompeten und Trommeln spielten Marschmusik. Ansa amüsierte sich darüber und überlegte, ob die Barbaren bei ihrem Anblick Ehrfurcht oder Hohn empfanden. Er ging von letzterem aus.
Ein kurzer Ritt brachte sie zur Grenzfestung, wo sich eine kleine Gruppe aufgeregter Beamter vor den Lords auf den Boden warf. Da die Feinde die Insel besetzt hielten, versuchte an dieser Stelle niemand mehr, das Land zu verlassen. An dem aus festem Mauerwerk gebauten Kai lag ein großes Floß aus festen Bohlen, groß genug, um zuerst die Diplomaten und dann ihre Eskorte zu befördern. Ansa betrat das Floß gemeinsam mit den Adligen. Aufmerksam beobachtete er, wie sich die Nusks am anderen Ufer anstrengten, um das Gefährt an dicken Tauen über den Fluss zu ziehen, welche die Wasseroberfläche streiften.
Am Kai der Insel wurden sie von einem Mann in grauen Gewändern begrüßt, dessen Kopfbedeckung wie ein stumpfer Kegel aussah.
»Willkommen, meine Herren! Ihre Majestät bat mich, euch zu ihr zu führen. Bitte folgt mir.« Sie verließen das Floß und ritten den sanften Hang hinauf. Hundert Schritte vom Ufer entfernt stand ein großes, prunkvolles Zelt, von dessen Spitze bunte Fahnen wehten. Neben sich hörte Ansa einen Diplomaten mit leiser Stimme zu seinem Gefährten sagen: »Ein Edelmann aus Sono. Einige wechseln schon jetzt die Seite.«
Ansa interessierte sich mehr für die Krieger, die überall herumstanden und die Neuankömmlinge belustigt betrachteten. Er wusste sofort, dass es sich um Shasinn handelte. Sie ähnelten seinem Vater so sehr, dass er sich nur langsam von seiner Überraschung erholte. Alle hatten goldblonde Haare, bronzefarbene Haut und blaue Augen. Auch die hohen Wangenknochen, die breite Stirn und die Anmut der Bewegungen war bei allen Männern gleich.
Überheblichkeit war das falsche Wort für die Aura, die sie fast greifbar umgab. Ohne ein Wort zu sagen, strahlten sie eine solche Überlegenheit aus, dass der Prunk der Diplomaten plötzlich schäbig und geistlos wirkte. Die Speere, die Ansa so gut kannte, lagen wie Zepter in ihren Händen. Sie waren seine Feinde, aber er war stolz darauf, auch Shasinnblut in seinen Adern zu haben.
Am Eingang des großen Zeltes stand eine einzelne Gestalt unter dem Sonnensegel. Selbst die erfahrensten Edelleute, die kaum jemals eine Miene verzogen, starrten sie mit offenem Mund an.
Königin Larissa war so schön, wie die Gerüchte behaupteten, aber selbst die Gerüchte hatten noch untertrieben. Trotz seiner Vorbehalte verlor sich Ansa in bewunderndem Staunen. Jetzt begriff er, weshalb seine Mutter jedes Mal, wenn der Name dieser Frau fiel, vor Wut
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