Brüder Des Zorns
schnaubte. Ihr Haar war fast so weiß wie Fyanas und das Gesicht von beinahe übermenschlicher Vollkommenheit. Sie trug einen Umhang aus golden schimmerndem Material und sonst außer Juwelen fast nichts. In der Hand hielt sie einen Miniaturspeer aus Stahl.
Sollen die granianischen Narren sagen, was sie wollen, dachte Ansa. So sollte eine Königin aussehen! Er wusste, dass sie nur ein oder zwei Jahre jünger war als sein Vater, konnte es aber kaum glauben. Sie wirkte kaum älter als er selbst. Vielleicht unterschieden sich die Shasinn auch darin von anderen Völkern, dachte er.
»Willkommen, edle Herren«, sagte Larissa. »Ich entbiete euch die Grüße meines Gemahls Gasam, König der Inseln, von Chiwa und jetzt auch von Sono. Bitte tretet ein. Unter diesen Umständen kann ich euch nur armselige Gastfreundschaft bieten und hoffe, ihr fühlt euch dennoch wohl. Wir sollten es uns bequem machen, ehe wir uns ernsthaften Verhandlungen zuwenden.«
Die Diplomaten hatten nicht mit ihrer ungewöhnlichen Ansprache gerechnet und verbargen ihre Verwirrung, indem sie hastig von den Cabos stiegen und die Diener mit den Geschenken herbeiriefen.
Die Wände des großen Zeltes hatte man halb emporgewickelt, um für frische Luft zu sorgen. Der Boden war mit Teppichen und Kissen bedeckt. Auf bloßen, mit Goldreifen behangenen Füßen durchquerte Larissa das Zelt und ließ sich auf einem riesigen Kissen nieder, besser gesagt, sie räkelte sich dort. Dennoch verlor sie seltsamerweise nicht an Würde.
»Seid so gut«, sagte sie, »und stellt euch vor. Setzt euch doch. Wir sind doch alle gute Freunde, nicht wahr?«
Ansa, der sich im Hintergrund hielt, grinste über das Unbehagen der Edelleute. Sie gestattete ihnen kein übertriebenes Gehabe, legte aber auch nicht die Schlichtheit einer einfachen Barbarin an den Tag. Sie war so selbstbewusst und gelassen, dass die Adligen fast tölpelhaft wirkten.
Floris, der die Gelegenheit nutzte, sich in den Vordergrund zu drängen, stellte sich und die höchsten Diplomaten vor. Dann ließ er die Geschenke bringen, Schätze, die aus König Ach’nas Palast stammten. Duftwasser, Juwelen, Stoffe und Kunstwerke stapelten sich vor Larissa. Sie bewunderte jedes Geschenk und pries die Großzügigkeit ihres königlichen Bruders.
»Da wir uns auf einem Feldzug befinden, haben wir nichts Kostbares, um es König Ach’na und Königin Masila anzubieten. Aber keine Bange! Sobald wir Huato einnehmen, sende ich ihnen die Schätze, die wir dort vorfinden.«
»Das ist … äh … höchst großzügig, Majestät«, sagte Lord Impimis mit erstickter Stimme.
Lächelnd schweifte ihr Blick über die Besucher. »Jetzt setzt euch bitte, damit meine Sklaven euch …« Sie hielt inne und sah ein wenig beunruhigt aus. Larissa hatte Ansa entdeckt. »Wer ist der edle Jüngling? Man hat ihn mir nicht vorgestellt.«
Lord Floris sah sich um. »Ach, der Mann ist kein Diplomat, Majes …« Sie hörte ihm gar nicht zu.
Ansa trat vor und verneigte sich. »Ich heiße Ansa, Hoheit. Ich bin der Sohn des obersten Häuptlings der Ramdi.«
Er zog sein Empfehlungsschreiben aus der Tunika und reichte es ihr. »Ich besuchte den Hof König Ach’nas, als deine Einladung eintraf. Keinesfalls wollte ich die Gelegenheit versäumen, die Grüße meines Vaters zu überbringen. Der König war so gütig, mir die Erlaubnis zu geben, seine Gesandten zu begleiten.«
»Du bist sehr unternehmungslustig.« Sie betrachtete ihn, als suche sie nach etwas.
»Es war nur ein Vorwand«, erklärte Ansa.
»Was meinst du damit?« Beiläufig berührte sie einen blutroten Stein, der zwischen ihren Brüsten hing. Es war ein Zeichen. Die Wachen hinter ihr richteten sich unmerklich auf.
»Ich suchte nach einem Vorwand, um die schönste Frau der Welt mit eigenen Augen zu schauen.«
Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln und klopfte auf das Kissen neben sich. »Ich denke, wir beide werden uns gut verstehen. Komm, setz dich zu mir.« Während sich die Diplomaten niederließen und von den Sklaven bedient wurden, wandte sie sich wieder an Ansa. »Ramdi, sagtest du? Den Namen habe ich auf Landkarten gesehen. Das Gebiet liegt im Südosten von König Haels Reich, nicht wahr?«
»Ja, so verhält es sich. Im Westen besteht unser Land aus Steppe und im Osten aus Hügeln, die sich bis zum großen Fluss ziehen.«
»Seid ihr Untertanen König Haels?«
»Unser Häuptling gehört zu den Verbündeten König Haels. Das Bündnis sichert uns gegenseitige Unterstützung im
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