Brüder im Kosmos
Besatzungsmitgliedern. Und weil er häufig Selbstgespräche führte und seine Gedanken laut vor sich hin murmelte, lernten sie auch seine Sprache. Dies vermehrte ihr Verständnis für ihre Umgebung, aber es veranlaßte sie auch zu einer wichtigen Annahme, die, was sie freilich nicht wußten, auf zu wenig Information beruhte.
Weil das Schiff vor kaum sechs Monaten die Erde verlassen und die tödliche Langeweile noch nicht eingesetzt hatte, war dieser Mensch bis zum Bersten voll von herrlichen Ideen über diese erste Forschungsreise zu den Sternen, die mögliche Besiedlung neuentdeckter Planeten und das große Abenteuer im Weltraum. Alles das war unterlegt mit freundlichen, brüderlichen Gefühlen für Mensch und Tier. Zugleich war er der einzige Mensch, dessen Geist den Tieren zum Studium offenstand. Kein anderes Besatzungsmitglied kam in den Zehnmeterradius ihrer Telepathie. Ihre Annahme schien daher gerechtfertigt.
So existierte die Gemeinde der Kleinen in ihren Laborkäfigen. Ihre leiblichen Bedürfnisse wurden aufs Beste befriedigt, und sie waren glücklich, zufrieden und sehr aufgeregt.
Sie dachten, sie wären die Kolonisten, die das Schiff zu befördern hatte.
Dann war eines Tages Sänger ins Laboratorium umgesiedelt worden. Sänger war für die Kleinen eine völlig neue Spezies. Er war von hellgelber Farbe, hatte Flügel, die es ihm leichtmachten, sich im schwerelosen Zustand des Schiffes zu bewegen, und machte Geräusche, die sehr angenehm zu hören waren. Obgleich er nicht so intelligent war wie die Kleinen, hatte die Veränderung auch ihm zu Verstand und Telepathie verholfen. Er wußte viel mehr über das Schiff und die Mannschaft, und seine Informationen schockierten und entsetzten die Kleinen. Er war in der Lage, sie über ihren wahren Status an Bord des Schiffes und über das Schicksal aufzuklären, das Versuchstiere erwartete, wenn die Zeit käme, um Atmosphäre, Pflanzenleben und Bakterien eines neuen Planeten zu untersuchen. Sänger erzählte ihnen auch von einem wilden und gefräßigen schwarzen Ungeheuer, das die Menschen »Felix« nannten und frei im Schiff umherstreifen ließen, und daß sie ihn selbst hierher ins Laboratorium gebracht hatten, um zu verhindern, daß die blutgierige Bestie ihn tötete.
Auf einmal war das Leben eine traurige und düstere Angelegenheit. Natürlich dachten sie sofort an Flucht, aber sie wußten jetzt genug über die Operationsweise des Schiffs, um zu begreifen, wie ungünstig die Bedingungen für ein solches Beginnen waren. Und wegen dieses Ungeheuers namens Felix konnten sie nicht einmal das Laboratorium verlassen. Wäre dies möglich gewesen, hätten sie vielleicht eine Möglichkeit zur Flucht schaffen können, entweder durch Sabotage oder durch andere, noch zu ersinnende Mittel. Aber sie konnten nur warten und hoffen, daß die Großen, die ebenfalls im Laboratorium lebten, diesen Felix außer Gefecht setzen könnten, sobald ihre geistige Entwicklung entsprechend fortgeschritten wäre.
Aber die Großen waren in dieser Hinsicht nur sehr langsam gewesen, Felix wußte es, und ihre Größe war nur relativ. Glücklicherweise hatten sie nie den Versuch unternehmen müssen, ihn zu beseitigen; ein Kampf zwischen einem Meerschweinchen – oder auch mehreren Meerschweinchen – und einem ausgewachsenen Kater wäre ein höchst ungleicher Wettbewerb gewesen.
Eines Tages war Felix in der Nähe des Laboratoriums herumgeschlichen und hatte gehofft, eine Maus oder etwas zu erwischen, als er plötzlich bemerkt hatte, daß die Tiere dort drinnen zu ihm sprachen. Der Grund für die seltsame Fähigkeit die er schon an sich selbst festgestellt hatte, als ihm klar geworden war, daß er die Menschen verstehen konnte, selbst wenn sie nicht laut sprachen, wurde ihm erläutert, und sehr bald hatte er wichtigere Dinge im Kopf als die Gier, Kleine zu essen. Plötzlich war er eine wichtige Person geworden, eine unersetzliche Person. Seine Kenntnis des Schiffes und seiner Besatzung, seine ungehinderte Bewegungsfreiheit und die Hilfe, die er den Kleinen geben konnte, machten ein Entkommen für sie nicht nur möglich, sondern sehr wahrscheinlich …
›Paß gefälligst auf, Felix!‹ dachte Whitey mit scharfem Tadel. Felix vergaß seinen Tagtraum und war sich bewußt, daß sein Gesicht, wäre er ein Mensch, in diesem Moment sehr rot gewesen wäre.
›Ich sagte, daß die Fortschritte der Großen hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben sind‹, fuhr Whitey fort. ›Das liegt zu einem
Weitere Kostenlose Bücher