Brüder im Kosmos
gespielter Bekümmerung. »Aber dies … ich bitte dich, sechs Finger …!«
DIE VERSCHWÖRER
Etwas war schiefgegangen. Es war außerhalb seines Bereichs, aber Felix fing im Augenblick des Geschehens eine deutliche, wenn auch wirre Empfindung von Panik und Schock auf. Er schwebte, äußerlich unbesorgt, in der Mitte des Korridors, der zur biologischen Abteilung führte, und wartete auf die Einzelheiten.
Einige Minuten später begann der Übertrager, der sich im Wandnetz am Ende des Korridors festhielt, die Tatsachen zu senden. Es war eine sehr schlechte Nachricht.
Es schien, daß der Kleine, dessen Aufgabe es war, zur Vorbereitung der Flucht bestimmte Schaltkreise in der Kommunikationszentrale zu beschädigen, einen Unfall gehabt hatte. Sänger war dabeigewesen und hatte es gesehen – jedenfalls vermutete Felix, daß es sich so verhielt. Selbst nach der vierten Übertragungsstation war das Gedankenmuster unverkennbar: lauter Emotion und nicht genug Tatsachen. Der Kleine war in Deckung gesprungen, als er den Mann von der Besatzung kommen hörte. Dabei hatte er sich verschätzt und war in eine unter Strom stehende Leitung geraten. Die Spannung betrug nur ein paar hundert Volt, aber für einen Kleinen war das eine ganze Menge – er war sofort tot. Was von ihm übrig war, hing offen vor aller Augen, und Sänger brachte sich mit seinen verzweifelten Versuchen, die Aufmerksamkeit des Besatzungsmitglieds zu fesseln, beinahe um, denn wenn der Mann den Leichnam und die unterbrochene Verdrahtung daneben entdeckte, könte er mißtrauisch werden. Sänger wollte, daß jemand käme, und das schnell. Die Botschaft endete mit einem Durcheinander von Angst, Dringlichkeit und Panik, das an Hysterie grenzte.
Felix gab die Nachricht unverändert an einen weiteren Kleinen durch, der in einem Ventilatorgehäuse am anderen Ende des Korridors versteckt war. Aber er hatte eine Ergänzung zu machen. Er sendete: ›Felix an Whitey. Ich glaube, ich kann das übernehmen. Laß einen Ersatz für mich kommen – ich bin im Korridor Fünf C und gehe jetzt in die Kommunikationszentrale.‹ Er zappelte und wand sich, bis er Kontakt mit dem Wandnetz hatte, dann stieß er sich ab und segelte durch den Korridor zu der Kreuzung, von wo er den Schauplatz des Unfalls erreichen wollte.
Gewöhnlich überließ Felix wichtige Entscheidungen den Kleinen. Sie hatten die guten Gehirne. Er wußte nicht, warum er diesmal die Initiative ergriffen hatte. Whitey, dachte er, würde wenig erfreut sein.
Es gelang ihm, in die Kommunikationszentrale einzudringen und den Leichnam des Kleinen zu erreichen, ohne daß der Mann von der Besatzung ihn sah. Obwohl Sänger in mancherlei Hinsicht unpraktisch war, konnte er eine Menge Ablenkung schaffen, wenn er es wollte. Er umflatterte den Kopf des Mannes in engen Kreisen, und der Mann suchte ihn vergeblich zu greifen und wunderte sich laut, was in den gefiederten Teufel gefahren sein mochte. Er hatte nur für Sänger Augen und Gedanken, Felix wußte es. Gut.
Der Pelz auf dem Körper des Verunglückten war stark versengt, und Felix’ Nase sagte ihm, daß auch Teile des Fleisches darunter angebraten waren. Plötzlich regte sich in ihm ein roher, animalischer Hunger, aber er kämpfte ihn nieder. Seit die Veränderung begonnen hatte, waren ihm Befriedigungen dieser Art versagt. Felix beförderte den winzigen Leichnam in eine Ecke des Raums, weit entfernt von den wichtigen Schaltkreisen, dann stieß er sich von der Wand ab und segelte hinterher.
Als er den Körper erreicht hatte, nahm er ihn zwischen die Pfoten und sagte: ›Alles klar, Vogelhirn. Du kannst dich entspannen. Verschwinde jetzt lieber – man erwartet, daß du Angst vor mir hast.‹
Sänger flog wie ein hellgelbes Geschoß zur Tür hinaus und durch den Korridor. Bevor er außer Reichweite kam, erwiderte er. ›Ich habe Angst vor dir, du … Barbar!‹
Sekunden später gewahrte der Mann, daß Felix in der Nähe war. Erfreut sagte er: »Felix! Wo hattest du dich versteckt?« Und er packte Felix mit einer Hand im Genick und zog sich mit der anderen zu einem Stuhl. Dort befestigte er sich mit einer Klammer und setzte Felix auf seinen Schoß. »So, du hast eine Maus gefangen, hm? Aber was hast du mit ihr gemacht, Felix? Wolltest sie braten oder was?« Er hörte zu sprechen auf, doch seine Gedanken waren geschäftig. Er begann Felix’ Kopf und Nacken zu streicheln.
Felix war keineswegs zum Schnurren zumute, aber er wußte, daß es von ihm erwartet
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