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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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richtig. So holst du dir als Einziges einen steifen Hals.« Adèle deckte die Hand über den Mund und gluckste. »Du musst es so machen«, sagte Annette und führte es vor. »Du darfst nicht gleichzeitig den Kopf zurückwerfen und dir das Haar aus den Augen schütteln. Das sind zwei völlig getrennte Bewegungen.«
    Lucile probierte es und verbiss sich ein Grinsen. »Vielleicht hast du recht. Jetzt du, Adèle. Steh auf, es wirkt nur im Stehen richtig.«
    Die drei Frauen drängelten sich vor dem Spiegel. Aus unterdrücktem Gekicher wurde prustendes Gelächter. »Und dann dieser Blick«, sagte Lucile. »Aus dem Weg, Wichte, euch zeig ich’s.« Sie wischte sich das Lächeln aus dem Gesicht – hingerissen von großäugigem Narzissmus starrte sie auf ihr Spiegelbild und schnippte ganz zart eine nicht-existente Locke nach hinten.
    »Idiotin«, sagte ihre Mutter. »Dein Handgelenk hat den völlig falschen Winkel. Hast du keine Augen im Kopf?«
    Lucile riss die Augen noch weiter auf und bedachte sie mit schmelzendem Camille-Blick: »Ich bin halt noch grün hinter den Ohren«, sagte sie kläglich.
    Adèle und ihre Mutter versuchten ein paar taumelnde Schritte. Dann warf Adèle sich auf Annettes Bett und quietschte in die Kissen. »Nein, hört auf, hört auf«, sagte Annette. Ihre Frisur hatte sich aufgelöst, Tränen liefen ihr durch das Rouge. Lucile ließ sich zu Boden sinken und hieb mit der Faust auf den Teppich ein. »Ich sterbe vor Lachen«, sagte sie.
    Oh, diese Erleichterung! Nachdem sie alle drei monatelang kaum ein Wort gewechselt hatten! Sie rappelten sich hoch, versuchten sich zusammenzureißen, aber auch als sie nach Puder und Parfüm griffen, platzten sie abwechselnd immer wieder los. Den ganzen Abend waren sie nicht vor den Anfällen sicher: »Maximilien Robespierre kennen Sie ja, Maître Danton, oder?«, fragte Annette und musste sich abwenden, weil ihr die Augen schon wieder zu tränen und die Lippen zu zucken begannen. Maître Danton hatte diese extrem martialische Art, die Faust in die Hüfte zu stemmen und dazu die Stirn zu runzeln, während er über das Wetter oder etwas ähnlich Harmloses sprach. Der Abgeordnete Maximilien Robespierre schien allen Ernstes niemals zu blinzeln und drückte sich so sonderbar lauernd an den Möbeln entlang; es musste ein Hochgenuss sein, ihn nach einer Maus springen zu sehen. Innerlich kichernd überließ sie die beiden ihrem Schlagabtausch.
    »Und wo wohnen Sie jetzt?«, erkundigte sich Danton.
    »In der Rue Saratonge im Marais.«
    »Komfortabel?«
    Robespierre blieb die Antwort schuldig. Er wusste nicht recht, was für Danton als komfortabel durchging und was nicht, sodass seine Auskunft nur belanglos ausfallen konnte. Solche Bedenken kamen ihm bei den simpelsten Unterhaltungen in die Quere. Zum Glück schien Danton nicht an einer Erwiderung gelegen. »Die meisten Abgeordneten waren ja nicht sehr erfreut, nach Paris umziehen zu müssen.«
    »Die meisten sind die halbe Zeit ohnehin nicht da. Und wenn sie da sind, passen sie nicht auf. Sie sitzen da und schwatzen über Weinkeltern und Schweinezucht.«
    »Sie denken an daheim. Schließlich reißt das alles hier sie aus ihrem Leben heraus.«
    Robespierre lächelte schwach. Er war nicht arrogant, er fand das nur eine recht merkwürdige Betrachtungsweise. »Aber das hier ist ihr Leben.«
    »Trotzdem, man versteht sie – sie denken, ihr Hof geht vor die Hunde, die Kinder werden ohne sie groß, und die Frau hüpft mit Gott und der Welt ins Bett; sie sind schließlich auch nur Menschen.«
    Robespierres Blick schnellte hoch zu ihm. »Schon, Danton, aber täten wir in diesen Zeiten nicht alle besser daran, ein klein wenig mehr zu sein?«
    Annette ging unter ihren Gästen umher und versuchte, ihr Grinsen zu einem Gastgeberinnenlächeln zu bändigen. Irgendwie wollte es ihr nicht mehr gelingen, ihre männlichen Gäste so zu sehen, wie diese gesehen zu werden wünschten. Der Abgeordnete Pétion (selbstgefälliges Schmunzeln) wirkte freundlich genug; desgleichen Brissot (ein ganzes Sortiment kleiner Zuckungen und anderer Tics). Danton beobachtete sie vom anderen Ende des Zimmers. Was mochte er denken? Sie hatte so ihre Vermutungen. Im Geist hörte sie Maître Dantons gedehntes: »Keine übel aussehende Frau, für das Alter.« Fréron stand allein da, auffällig allein; sein Blick folgte Lucile.
    Um Camille scharten sich, wie immer dieser Tage, die Zuhörer. »Letztlich müssen wir uns nur noch über den Titel einig werden«, sagte er.

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