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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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hineingekippt, und weiter geht’s. Trotz seiner Verkrüppelung darf er, wie Robespierre, auf eine glanzvolle Karriere als Armenanwalt zurückblicken. Couthons Wirbelsäule ist verkümmert, er hat ununterbrochen Schmerzen. Robespierre sagt, dass er deshalb nicht bitter ist. Wer außer Robespierre würde so etwas glauben?
    Ihm machten die Kriegstreiber Sorgen, sagte er – mit anderen Worten, »Brissots Leute«.
    »Sie waren erst kürzlich in England, Danton. Will England gegen uns Krieg führen?«
    Ich konnte ihm versichern, dass nur die äußerste Provokation England dazu bringen würde.
    »Danton, ein Krieg wäre eine Katastrophe, nicht wahr?«
    »Zweifellos. Wir haben kein Geld. Unsere Armee wird von Aristokraten befehligt, deren Sympathien sehr leicht dem Feind gehören könnten, unsere Marine ist ein Trauerspiel, dazu unsere innenpolitischen Zwistigkeiten …«
    »Die Hälfte unserer Offiziere oder mehr sind emigriert. Wenn es zum Krieg kommt, wird er von Bauern mit Mistgabeln ausgefochten werden. Oder mit Piken, wenn wir die Kosten dafür verkraften.«
    »Ein paar Leuten wäre das ganz recht«, sagte ich.
    »Ja. Dem Hof. Weil man dort hofft, das Kriegschaos treibt uns wieder der Monarchie in die Arme, und wenn unserer Revolution erst das Rückgrat gebrochen ist, kommen wir angekrochen und betteln darum, vergessen zu dürfen, dass wir je frei waren. Und wenn das geschieht, was würde es den Hof dann kümmern, dass preußische Truppen unsere Häuser niederbrennen und unsere Kinder abschlachten? Eine Wonne wäre es ihnen!«
    »Robespierre …«
    Aber er war nicht zu bremsen. »Deshalb wird man bei Hof für den Krieg sein, selbst wenn er gegen Marie Antoinettes eigenes Volk geführt wird. Und es gibt Männer in der Versammlung, die sich Patrioten nennen und doch jede Chance ergreifen würden, um die Aufmerksamkeit von unserem wahren Revolutionskampf abzulenken.«
    »Sie meinen Brissots Leute?«
    »Ja.«
    »Was meinen Sie, warum wollen sie das?«
    »Weil sie Angst vor dem Volk haben. Sie wollen die Revolution niederhalten, sie eindämmen, weil sie Angst davor haben, sich dem echten Volkswillen beugen zu müssen. Sie wollen eine Revolution, die ihren eigenen Zwecken dient. Sie wollen sich die Taschen vollstopfen. Ich sage Ihnen, warum die Menschen immer für den Krieg sind – weil Krieg leichtverdientes Geld bedeutet.«
    Ich staunte über diese grimmige Schlussfolgerung – nicht dass ich nicht selbst längst zu ihr gelangt wäre, aber dass Robespierre so denken sollte, der herzensreine, lautere Robespierre!
    »Es ist die Rede von einem Kreuzzug«, sagte ich, »der Europa die Freiheit bringen soll. Von unserer Pflicht, das Evangelium der Brüderlichkeit zu verkünden.«
    »Das Evangelium verkünden? Sagen Sie selbst: Wo heißt man bewaffnete Missionare willkommen?«
    »Gute Frage.«
    »Brissots Leute reden, als ginge es ihnen um die Interessen des Volkes, aber das Ende vom Lied wird eine Militärdiktatur sein.«
    Ich nickte; ich stimmte ihm zu, aber mir missfiel die Art, wie er es sagte; er sprach, so empfand ich, als wären es alles unumstößliche Tatsachen. »Meinen Sie nicht«, sagte ich, »dass man Brissot und seinen Freunden vielleicht wohlmeinende Absichten zubilligen könnte? Dass sie denken, ein Krieg würde das Land einen und die Revolution zum Abschluss bringen und uns das restliche Europa vom Hals schaffen?«
    »Denken Sie das?«
    »Ich persönlich? Nein.«
    »Sind Sie ein Idiot? Bin ich einer?«
    »Nein.«
    »Liegt die Logik nicht auf der Hand? Bei Frankreichs derzeitiger Verfassung, so arm, so waffenlos, bedeutet Krieg Niederlage. Und eine Niederlage bedeutet entweder einen Militärdiktator, der rettet, was zu retten ist, und dann eine neue Tyrannei aufbaut, oder den vollständigen Zusammenbruch und eine Rückkehr zur absoluten Monarchie. Es könnte auch beides bedeuten, erst eins und danach das andere. Und in zehn Jahren wird nicht eine unserer Errungenschaften mehr bestehen, und für Ihren Sohn wird Freiheit nicht mehr sein als der Traum eines alten Mannes. So wird es kommen, Danton. Niemand kann aufrichtig das Gegenteil behaupten. Wenn sie es also behaupten, sind sie nicht aufrichtig, sie sind keine Patrioten, und ihre Kriegspolitik ist eine Politik gegen das Volk.«
    »Für Sie sind sie im Endeffekt also Verräter.«
    »Im Endeffekt, ja. Potentielle Verräter. Und darum müssen wir unsere eigene Position gegen sie stärken.«
    »Wenn wir den Krieg gewinnen könnten, wären Sie dann

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