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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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dafür?«
    »Ich hasse allen Krieg.« Ein gezwungenes Lächeln. »Ich hasse jede unnötige Gewalt. Ich hasse Streit, selbst Meinungsverschiedenheiten, aber ich weiß, ich bin dazu verurteilt, damit zu leben.« Er machte eine kleine Handbewegung, wie um die Kontroverse ad acta zu legen. »Sagen Sie mir, Georges-Jacques – erscheint Ihnen das, was ich sage, unvernünftig?«
    »Nein, es ist vollkommen schlüssig … nur ist …« Ich wusste nicht, wie ich den Satz zu Ende bringen sollte.
    »Die Rechte versucht mich als Fanatiker hinzustellen. Irgendwann werden sie noch einen aus mir machen.«
    Er erhob sich, und der Hund sprang auf und sah mich böse an, als wir uns die Hand gaben.
    »Ich würde mich gern einmal zwangloser mit Ihnen austauschen«, sagte ich, »statt immer nur in der Öffentlichkeit Position zu beziehen, wo ich Sie nie besser kennenlernen kann. Möchten Sie nicht heute zum Essen kommen?«
    »Danke, aber«, er schüttelte den Kopf, »zu viel zu tun. Kommen Sie doch und besuchen Sie mich bei Maurice Duplay.«
    Und er ging die Treppe hinunter, der vernünftige Mensch, und sein Hund tappte hinter ihm her und knurrte die Schatten an.
    Es bedrückte mich. Wenn Robespierre sagt, die ganze Idee des Kriegführens sei ihm zuwider, dann ist das eine emotionale Aussage, und gegen Emotionalität bin ich nie immun. Ich teile sein Misstrauen gegen das Militär; wir sind argwöhnisch, neidisch vielleicht, wie nur Schreibtischmenschen es sein können. Die Kriegstreiber gewinnen Tag für Tag an Zulauf. Lasst uns den ersten Schlag führen, predigen sie, bevor er gegen uns geführt wird. Wenn sie erst beginnen, die große Trommel zu rühren, ist kein Argumentieren mehr möglich. Und wenn ich schon gegen den Strom schwimmen muss, dann lieber mit Robespierre als mit sonst jemandem. Ich mache vielleicht Witze auf seine Kosten – nein, nicht vielleicht, ich mache sie ja –, aber ich weiß, wie tüchtig er ist, und ich weiß um seine Aufrichtigkeit.
    Und trotzdem … Er fühlt etwas in seinem Herzen, und dann setzt er sich hin und versucht es logisch zu erfassen, mit dem Verstand. Dann sagt er, der Verstand war zuerst da, und wir glauben es ihm.
    Ich habe ihn tatsächlich bei den Duplays besucht, aber die Duplays soll Camille schildern. Der Schreinermeister hatte ihn versteckt, als er in Gefahr war, und wir alle dachten, wenn erst wieder Normalität eingekehrt ist … aber er blieb.
    Kaum fällt das Tor in der Rue Saint-Honoré hinter einem zu, umfängt einen Stille, ja Ländlichkeit. Überall im Hof sind Duplays Männer bei der Arbeit, aber der Lärm ist gedämpft und die Luft riecht frisch. Er hat eine Kammer im ersten Stock, schlicht, aber nicht unbedingt hässlich. Über die Möbel weiß ich nichts zu sagen – wohl deshalb, weil daran nichts Besonderes ist. Als ich ihn besuchte, zeigte er mir ein großes Bücherregal, neu und gut gearbeitet, wenn auch nicht elegant. »Maurice hat mir das geschreinert.« Er sagte es ganz glücklich. Als täte es ihm wohl, dass jemand sich seinetwegen Mühe macht.
    Ich sah mir seine Bücher an. Meterweise Rousseau, kaum andere moderne Autoren. Cicero, Tacitus, das Übliche, alle tüchtig zerlesen. Wenn wir England angreifen, muss ich dann meinen Shakespeare verstecken, meinen Adam Smith? Es kommt mir nicht so vor, als würde Robespierre irgendwelche modernen Sprachen außer seiner eigenen lesen, ein Jammer eigentlich. Camille findet moderne Sprachen übrigens unter seiner Würde, er lernt Hebräisch und sucht nach jemandem, der ihm Sanskrit beibringen kann.
    Er hatte mich gewarnt, was mich bei den Duplays erwarten würde. »Es … sind … durch … und … durch … schreckliche … Menschen«, hatte er gesagt. Aber an dem Tag spielte er ohnehin Hérault de Séchelles, darum gab ich nicht allzu viel auf seine Worte. »Da ist zunächst der Paterfamilias, Maurice. Er ist Anfang bis Mitte fünfzig, fast glatzköpfig und bierernst. Er kann in unserem lieben Robespierre nur das Schlimmste zutage fördern. Madame ist von der hausbackenen Sorte und kann nie auch nur leidlich hübsch gewesen sein. Dann gibt es einen Sohn, der natürlich auch Maurice heißt, und einen Neffen namens Simon – beide noch recht klein und allem Anschein nach ziemlich minderbemittelt.«
    »Aber was ist mit den drei Töchtern«, sagte ich. »Sind die der Mühe wert?«
    Camille stieß ein blasiertes Seufzen aus. »Da hätten wir Victoire, die sich schwer vom Mobiliar unterscheiden lässt. Sie hat kein einziges Mal den

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