Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety
das Wort.]
AUS DEN REIHEN DER JAKOBINER : Despot!
M. DANTON [Vorsitzender]: Ruhe! Mehr Disziplin, wenn ich bitten darf! Wenn M. Robespierre hier irgendeine Form von Despotismus ausübt, dann ist es der Despotismus der Vernunft.
AUS DEN REIHEN DER JAKOBINER : Hört, hört, der Demagoge erwacht!
M. DANTON : Ich bin kein Demagoge, und ich habe lange und mühsam genug Schweigen bewahrt. Aber jetzt soll all jenen die Maske heruntergerissen werden, die sich brüsten, dem Volke zu dienen. Es wird höchste Zeit, dass endlich jemand eingreift, nachdem nun seit drei Monaten der Mut eines Mannes kleingeredet wird, für dessen Heldentum die ganze Revolution Zeuge ist …
Robespierre bei den Jakobinern, 10. Mai 1792: Je mehr ihr mich isoliert, je mehr ihr mich von den Menschen absondert, desto mehr Rechtfertigung finde ich in meinem eigenen Gewissen und in der Gerechtigkeit meiner Sache.
Szenen aus dem brissotistischen Kabinettsleben:
General Dumouriez erschien im Jakobinerclub, bei dem er Mitglied war. Er trat nach guter Soldatenart auf, und seine ansonsten unauffälligen Züge verrieten das Tätigsein eines zweifelnden, rastlosen Geistes. Auf seinem frisch gepuderten Haar saß eine rote Wollmütze, die Mütze der Freiheit. Er sei gekommen, um dem Schrein des Patriotismus (oder war es eine andere, ähnlich hohle Metapher?) seine Reverenz zu erweisen, und ersuche um brüderliche Anleitung und Unterweisung.
So hatte sich noch nie ein Minister verhalten.
Mit bangen Blicken beobachteten die Patrioten Robespierres Gesicht. Verachtung zeichnete sich darauf ab.
M. Roland, der Innenminister, sprach in den Tuilerien vor, um dem König vorgestellt zu werden. In entgeistertem Schweigen wichen die Höflinge vor ihm zurück. Er wusste nicht, was sie hatten; seine Strümpfe waren frisch gestopft. Der Zeremonienmeister nahm Dumouriez beiseite und schlug einen vernichtenden Flüsterton an: »Wie soll er vorgestellt werden? Er hat keine Schnallen an den Schuhen.«
»Keine Schnallen?«, sagte der General gut gelaunt. »O weh, Monsieur, dann ist alles aus.«
»Meine liebe Mme Danton«, sagte Hérault de Séchelles, »was für ein köstliches Essen. Wäre es ganz unverzeihlich, wenn wir uns jetzt der Politik zuwendeten?«
»Meine Frau ist Realistin«, sagte Danton. »Sie weiß, dass die Politik für unser Essen bezahlt.«
»Ich bin daran gewöhnt«, sagte Gabrielle.
»Interessieren die öffentlichen Angelegenheiten Sie denn, meine Liebe? Oder finden Sie sie ermüdend?«
Sie wusste nicht recht, was sie sagen sollte, lächelte aber, um die einzige Antwort, die ihr einfiel, zu entschärfen: »Ich mache das Beste daraus.«
»Wie wir es alle tun sollten.« Hérault wandte sich an Danton. »Wenn Robespierre darauf besteht, das Schlechteste daraus zu machen, dann ist das seine Sache. Diese Leute – Brissotisten, Rolandisten, Girondisten, wie auch immer man sie nennen will – haben gegenwärtig das Sagen. Sie haben – nun ja – wenig Zusammenhalt. Kaum eine gemeinsame Linie, außer dem Krieg – der reichlich desaströs begonnen hat, wie sogar sie zugeben.«
»Sie haben Energie«, sagte Danton. »Sie sind geschickte Debattierer. Sie sind undogmatisch. Und sie haben diese grässliche Frau.«
»Ah, wie bekommt der kleinen Madame die Berühmtheit?«
Von Danton ein angewidertes Schnauben. »Wir waren zum Essen dort. Ich darf gar nicht daran denken.«
Am Vorabend hatten er und Fabre zwei qualvolle Stunden lang ein schauerliches Mahl beim Innenminister über sich ergehen lassen. Dumouriez war auch dagewesen. Von Zeit zu Zeit hatte er gemurmelt: »Ich hätte gern mal mit Ihnen unter vier Augen gesprochen, Danton, verstehen Sie?« Aber es hatte sich keine Gelegenheit ergeben. Alles lief strikt nach dem Plan der Ministersgattin ab. Ihr Mann thronte steif an der Stirnseite der Tafel; er machte nur vereinzelt den Mund auf, und Danton stellte sich vor, der echte Minister säße emsig kritzelnd an einem Sekretär in irgendeinem anderen Winkel des Gebäudes, während sich in dem uralten schwarzen Frack vor ihnen am Tisch ein Wachsmodell verbarg. Es juckte ihn, sich vorzubeugen und eine Gabel in ihn hineinzustechen, um zu sehen, ob er schreien würde, aber er widerstand dem Drang und stierte nur verdrossen auf seinen Teller. Es gab eine namenlose Suppe, die wässrig, aber klumpig war, irgendein zähes Geflügel – und auch davon nur wenig – und dazu ein paar Kohlrüben, die, wenngleich klein, über ihre erste Jugend doch hinaus
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