Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety
hast doch gesagt …«
»Ein bisschen Wortgeklingel schadet nie. Es kann andere inspirieren. Ich dachte, ich besuche für ein, zwei Tage meine Schwiegereltern in Fontenay.«
»Ach so?«
»Der General hat Pläne. Er will gegen die Jakobiner marschieren, den Club dichtmachen. Vergeltung für den 20. Juni. Er hofft, die Nationalgarde auf seine Seite zu ziehen. Nicht dass jemand beweisen könnte, dass ich irgendetwas mit dem 20. Juni zu tun hatte …«
»Mmm«, sagte Camille.
»… aber ich gehe Unannehmlichkeiten lieber von vornherein aus dem Weg. Dann verläuft alles im Sande.«
»Aber es wird doch ernst, so wie es klingt.«
Danton blieb geduldig. »Es wird insofern nicht ernst, als wir seine Pläne kennen.«
»Und woher kennen wir sie?«
»Durch Pétion.«
»Und woher kennt der sie?«
»Durch Marie Antoinette.«
»Du mein Gott.«
»Schön dumm von ihnen, nicht wahr? Wo Lafayette der Einzige ist, der noch für sie einsteht. Man fragt sich, wie gescheit es ist, sich überhaupt mit ihnen einzulassen.«
Camille schaute auf. »Wie, sich mit ihnen einzulassen?«
»Sich auf einen Handel mit ihnen einzulassen, mein Junge. Mitnehmen, was geht.«
»Das gibt es nicht. Du kannst doch mit ihnen nicht handeln !«
»Fabre, kann ich das?«
»Ja.«
»Und macht dir das zu schaffen, Fabre?«
»Nicht in dem Sinn, dass ich Skrupel deswegen hätte. Aber Angst macht es mir doch. Ich sorge mich um die möglichen Komplikationen.«
»Nicht in dem Sinn, dass er Skrupel hätte«, wiederholte Danton. »Es macht ihm Angst. Skrupel. Was für eine hübsche Differenzierung. Camille, wenn du dieses Gespräch gegenüber Robespierre erwähnst, sind wir geschiedene Leute. Herrgott im Himmel«, sagte er. Er ließ sie stehen, heftig den Kopf schüttelnd.
»Was erwähnen?«, fragte Camille.
Lafayettes Plan: eine große Parade der Nationalgarde, bei der der General die Truppen inspizieren und der König persönlich den Salut entgegennehmen wird. Der König wird sich zurückziehen, Lafayette wird den Bataillonen eine flammende Rede halten, denn ist er nicht ihr erster, ihr glorreichster Befehlshaber, von der Natur selbst mit der Autorität ausgestattet, das Kommando erneut zu übernehmen? Und dann wird General Lafayette – im Namen der Verfassung, im Namen der Monarchie, im Namen der öffentlichen Ordnung – gründlich in der Hauptstadt aufräumen. Leider steht der König nicht aus vollem Herzen hinter ihm: Louis hat Angst vor einem Scheitern, Angst vor den Konsequenzen, und die Königin sagt kalt, lieber will sie sich umbringen lassen als von Lafayette gerettet werden.
Pétion kann resolut sein, wenn er will. Eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung sagt er sie kurzerhand ab, sodass sämtliche Maßnahmen miteinander kollidieren und die daraus folgende Verwirrung zuverlässig jedwedes größere Vorhaben vereitelt. Also zieht der General mit seinen Adjutanten allein durch die Straßen, bejubelt von Patrioten vom alten Schlag. Er wägt seine Chancen ab, und dann lenkt er sein Pferd aus Paris heraus, zurück zu seinem Grenzkommando. Bei den Jakobinern wird Couthon auf die Tribüne gerollt und schimpft den General einen »üblen Schurken«, Maximilien Robespierre bezeichnet ihn als »Feind des Vaterlands«, die Herren Brissot und Desmoulins überbieten sich gegenseitig mit Verunglimpfungen. Die Cordeliers kehren von den diversen Kurzreisen zurück, die viele von ihnen für angezeigt erachtet haben; sie verbrennen den General in effigie, und zum Knattern und Spucken der uniformierten Puppe rufen sie neue Zukunftsparolen aus.
Annette sagte: »Wenn sie überlebt, benimmst du dich dann ab sofort?« Ein Morgen im Juli, Sonnenschein, leichter Wind. Camille blickte zum Fenster hinaus auf die Rue des Cordeliers, wo seine Nachbarn ihre Geschäfte versahen und das Leben seinen schmerzhaft normalen Gang ging, wo an der Cour du Commerce die Druckerpressen ratterten und Frauen zu einem Schwatz an der Ecke stehen blieben, und versuchte, sich irgendeine andere Art von Leben oder Tod vorzustellen. »Ich habe aufgehört, mit Gott zu handeln«, sagte er, »also nötige du mir keinen Handel ab, Annette.«
Er bot ein Bild des Jammers, fand sie: blass, zittrig, völlig über den Haufen geworfen von der Tatsache, dass seine Frau niederkam und dass es ihr wehtun würde. Schon erstaunlich, dachte Annette, mit wie vielen Dingen des gewöhnlichen Lebens Camille nicht zurechtkommen kann oder will. Ich streue Salz in die Wunde, beschloss sie, eine kleine
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