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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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dass ich die Frauen in den Palast geführt und dabei mit einem Schwert herumgefuchtelt hätte. Alles unwahr, verstehen Sie? Ich war ja schon in Versailles. Ich hatte mir ein Zimmer genommen, um jeden Tag in die Nationalversammlung zu gehen und den Debatten zuzuhören. Sicher, ich war draußen unterwegs, ich habe mit den Frauen geredet und auch mit der Nationalgarde. Aber als sie den Palast gestürmt haben, lag ich schlafend im Bett.«
    »Dafür wird es ja sicher Zeugen geben«, sagte Lucile. Théroigne starrte sie verständnislos an. »Schon gut«, sagte Lucile, »das sollte ein Scherz sein. Aber – und das müssen Sie mittlerweile doch auch gemerkt haben – seit der Bastille zählt nicht mehr, was Sie tatsächlich getan haben, sondern nur das, was die Leute von Ihnen behaupten. Es nützt Ihnen gar nichts, Ihre Vergangenheit so zu zerpflücken: Wenn Sie einmal angefangen haben, im Auge der Öffentlichkeit zu leben, schreiben die Leute Ihnen bestimmte Handlungen und Worte zu, und das müssen Sie aushalten. Wenn es heißt, Sie seien auf einer Kanone geritten, dann sind Sie das auch, tut mir leid.«
    Théroigne sah zu ihr auf. »Ich bin auf einer Kanone geritten?«
    »Nein, ich meine –« Verfluchter Mist, dachte Lucile, die Hellste ist sie nicht gerade. »Nein, natürlich nicht – begreifen Sie denn nicht, wie ich es meine?«
    Théroigne schüttelte den Kopf. »Sie haben mich über den Jakobinerclub ausgefragt. Wer wie viel bezahlt bekommt, damit er welche Meinung vertritt. Ich weiß nichts über die Jakobiner. Aber das half mir nichts. Sie waren sehr unzufrieden mit meinen Antworten.«
    »Manche von uns dachten schon, wir würden Sie nie wiedersehen.«
    »Die Leute sagen mir, ich sollte ein Buch über meine Erlebnisse schreiben. Aber ich bin so ungebildet, Lucile, ich könnte genauso wenig ein Buch schreiben, wie ich zum Mond fliegen könnte. Meinen Sie, Camille würde es für mich schreiben?«
    »Warum haben die Österreicher Sie laufen lassen, Anne?«
    »Sie haben mich nach Wien gebracht. Der Kanzler, der oberste Minister des Kaisers, hat mich in seinen Privaträumen empfangen.«
    »Ja, aber das beantwortet noch nicht meine Frage.«
    »Und dann ging es zurück nach Lüttich. In meine Geburtsstadt. Ich dachte, ich wäre das Reisen gewöhnt, aber sie waren die Hölle, diese Fahrten – o ja, sie versuchten mich gut zu behandeln, aber ich hätte mich am liebsten zum Sterben in den Straßengraben gelegt. Als wir in Lüttich ankamen, haben sie mir Geld gegeben und mir gesagt, ich dürfe fahren, wohin ich wollte. Sogar nach Paris?, habe ich gefragt. Ja, sagten sie, selbstverständlich.«
    »Das wussten wir«, sagte Lucile. »Es stand letzten Dezember im Moniteur . Wir haben den Artikel aufgehoben, ich muss ihn noch irgendwo haben. Wir haben gesagt: ›Jetzt ist sie also auf dem Heimweg.‹ Wir waren überrascht. Zwischendurch hatte es manchmal geheißen, die Österreicher hätten Sie gehängt. Aber stattdessen lassen sie Sie frei, sie geben Ihnen Geld. Wundert es Sie da, dass Camille sich von Ihnen fernhält?«
    Ihre Beweisführung hätte jedem Anwalt Ehre gemacht. Und doch kann sie nicht recht glauben, was jeder glaubt, auch wenn es keiner sagt: dass Théroigne sich als Spionin verdingt hat. Denkt man sich die Waffe und das blutrote Gewand weg, dann wirkt sie harmlos, verzweifelt, nicht einmal ganz normal. »Anne«, sagte sie, »vielleicht sollten Sie aus Paris fortgehen. Irgendwohin, wo Sie ein wenig Ruhe finden. Bis Sie wieder ganz gesund sind.«
    Théroigne warf ihr einen hastigen Blick zu. »Sie vergessen, Lucile, dass ich mich schon einmal habe vertreiben lassen, von den Journalisten, Louis Suleau hat mich aus Paris fortgejagt. Und was ist passiert? Ich hatte ein Zimmer in einem Gasthof, Lucile, wunderbar einsam gelegen, Vogelgezwitscher, genau, wie man es sich zur Genesung wünscht. Ich aß gut, und ich schlief tief und fest in diesen Nächten. Und dann wachte ich eines Nachts auf, und da waren Männer in meinem Zimmer, und es waren Männer, die ich nicht kannte, und sie zerrten mich hinaus in die Dunkelheit.«
    »Ich glaube, Sie sollten jetzt gehen«, sagte Lucile. Furcht schnürte ihr die Kehle zusammen, Furcht züngelte ihr in die Magengrube hinab und berührte mit Eisesfingern ihr Kind.
    »Lafayette ist in Paris«, sagte Fabre.
    »Das habe ich gehört.«
    »Du wusstest es, Danton?«
    »Ich weiß alles, Fabre.«
    »Und, wann hackst du ihn jetzt in Stücke?«
    »Nicht so blutrünstig, Fabre.«
    »Aber du

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