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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Nachthemd anreichte und Louis Capet dabei behilflich war, es um seinen feisten, bläulich-weißen Torso zu drapieren.
    Sie folgten Louis’ hängenden Schultern, reihten sich auf, um in der vorgeschriebenen Aufstellung das Schlafgemach zu betreten. Aber der König wandte ihnen sein bleiches, verstörtes Mondgesicht zu – und warf die Tür vor ihnen ins Schloss.
    Die Höflinge starrten einander an. Erst jetzt trat die Ungeheuerlichkeit der Situation vollauf zutage. »So etwas ist noch nie dagewesen«, flüsterten sie.
    Lucile berührte trostsuchend Gabrielles Hand. Wohl ein Dutzend Leute waren in der Wohnung, dazu ein Haufen Feuerwaffen auf dem Boden. »Bring mehr Lichter«, befahl Danton, und Catherine, blass im Gesicht und mit niedergeschlagenen Augen, brachte welche, sodass neue Schatten an Decke und Wänden tanzten.
    Louise Robert fragte: »Kann ich hierbleiben, Gabrielle?« Sie wickelte sich fester in ihr Tuch, als fröre sie.
    Gabrielle nickte. »Müssen diese Waffen da liegen?«
    »Ja, müssen sie. Also fangt nicht an, sie wegzuräumen.«
    Lucile schlängelte sich zu ihrem Mann durch. Sie wisperten leise miteinander. Dann wandte sie sich ab. »Georges«, rief sie, »Georges«; ihr Kopf schmerzte jetzt, dieses wattige Champagner-Kopfweh, das so tat, als ließe es sich wegkneten, und in ihrer Kehle saß ein Klumpen. Ohne sie anzusehen, unterbrach Danton seine Unterhaltung mit Fréron, legte den Arm um sie und zog sie eng an sich. »Ich weiß, ich weiß«, sagte er. »Aber du musst stark sein, Lolotte, du bist kein dummes kleines Mädchen mehr, du musst auf die anderen aufpassen.« Sein Ausdruck war abwesend, dabei wollte sie doch seine volle Aufmerksamkeit, wollte die Einzige für ihn sein mit ihren Nöten und Wünschen. Aber er hätte ebenso gut irgendwo draußen sein können; seine Gedanken eilten voraus in die Tuilerien, ins Rathaus, und sein Zuspruch erfolgte mechanisch.
    »Bitte pass auf Camille auf«, sagte sie. »Bitte lass nicht zu, dass ihm etwas passiert.«
    Jetzt sah er sie doch an, abwägend, ernsthaft; er wollte ihr ehrlich antworten.
    »Schick ihn nicht allein los«, sagte sie. »Ich bitte dich, Georges.«
    Fréron legte ihr probeweise die Hand an den Ellbogen, sie zog ihn weg. »Lolotte, wir passen doch alle aufeinander auf«, sagte er. »So gut wir eben können.«
    »Sie habe ich nicht gefragt, Karnickel«, sagte sie. »Kümmern Sie sich um sich selber.«
    »Hör mir zu.« Dantons blaue Augen bohrten sich in ihre: »Meinst du, ich würde ihn dazu auffordern, sich unnötig in Gefahr zu begeben?« Er sah zur Wanduhr hinüber, und sie ebenfalls. Nach dieser Uhr werden wir unser Überleben messen, dachte sie. Gabrielle hatte sie zur Hochzeit bekommen, die Zeiger waren zwei zarte, spitz zulaufende bourbonische Lilien. ’86, ’87. Georges war königlicher Rat gewesen, Camille in ihre Mutter verliebt, sie selbst sechzehn. Dantons narbige Lippen streiften ihre Stirn. »Der Sieg würde schal schmecken«, sagte er. Er hätte natürlich einen Handel mit ihr abschließen können. Aber das war nicht seine Art.
    Fréron nahm sich ein Gewehr. »Ich persönlich«, verkündete er mit einem Blick auf Lucile, »fände nichts dabei, wenn es heute zu Ende ginge. Mein jetziges Leben birgt keinen Sinn mehr für mich.«
    Quer durchs Zimmer Camilles Stimme, schneidend-fürsorglich: »Karnickel, ich wusste nicht, dass du leidest, kann ich irgendetwas für dich tun?«
    Jemand lachte auf. Lucile dachte, was kann ich dafür, wenn du in mich verliebt bist, du solltest mehr Verstand haben, geht Hérault etwa mit seinem gebrochenen Herzen hausieren, geht Arthur Dillon damit hausieren, nein, denn sie wissen, was ein Spiel ist und was Ernst. Das jetzt ist Ernst; es hat nichts mit Liebe zu tun. Sie hob die Hand in Camilles Richtung. Ihr schien ein Salut angebracht. Dann drehte sie sich um und ging ins Schlafzimmer. Die Tür ließ sie einen Spalt offen; ein schmaler Lichtstrahl fiel von den anderen Räumen herein, gedämpftes Stimmgemurmel. Sie setzte sich auf ein Sofa, lehnte sich zurück und döste ein – ein champagnerumnebeltes Dösen voll wirrer Traumfetzen.
    »Der große Ratssaal, Monsieur.« Pétion hielt stramm auf die königlichen Gemächer zu, die Amtsschärpe um die pralle Brust gelegt. Die Adligen suchten eilig vor ihm das Weite.
    Er erreichte die Außengalerie. »Darf ich fragen, warum die Herren alle stehen?« Sein Ton machte deutlich, dass er sie für dressierte Affen hielt und nicht mit einer Antwort

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