Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety
Sie damit fertig sind, suchen Sie doch bitte Robespierre und bitten ihn, hier vorbeizuschauen. Er ist immer so ein mäßigender Einfluss, wenn Camille sterben will.«
Pünktlich am 9. August, neun Uhr morgens, war Danton wieder da. »Kein Grund, so wütend auf mich zu sein. Man wird ja wohl noch seine Angelegenheiten ordnen dürfen. Was wir da vorhaben, ist schließlich kein Pappenstiel.«
»Wie oft willst du deine Angelegenheiten eigentlich noch ordnen?«, fragte Fabre.
»Nun ja, ich werde eben immer reicher.«
Er küsste seine Frau auf den Scheitel. »Packst du meine Sachen aus, Gabrielle?«
»Bist du dir sicher?«, sagte Fabre. »Nicht ein, sondern aus?«
Camille sagte: »Wir dachten, du hättest dich wieder mal gedrückt.«
»Was soll das heißen, wieder mal?« Er fasste Camille beim Handgelenk und zog ihn quer durchs Zimmer, während er mit dem freien Arm sein Söhnchen Antoine hochhob. »Ah, meine Lieben, wie hab ich euch vermisst«, sagte er. »Zwei volle Tage lang. Was machst du überhaupt hier, hm?«, fragte er das Kind. »Du solltest gar nicht in der Stadt sein.«
»Er hat so gebettelt, heim zu dürfen«, sagte Gabrielle. »Ich konnte ihn gestern nur zum Einschlafen bringen, indem ich ihm versprochen habe, dass er dich heute sehen darf. Meine Mutter holt ihn am Nachmittag wieder ab.«
»Großartige Frau, so muss es sein. Kinderhüten im Rachen des Todes.«
»Kannst du vielleicht mit den markigen Sprüchen aufhören?«, fragte Camille. »Mir wird übel davon.«
»Das macht die Landluft«, sagte Danton. »Ich könnte Bäume ausreißen. Du solltest öfter aus Paris herauskommen. Armer Camille.« Danton zog Camilles Kopf an seine Schulter und streichelte sein Haar. »Er hat Angst, Angst, Angst.«
Zwölf Uhr mittags. »Keine zwölf Stunden mehr«, sagte Danton. »Ich gebe euch mein Wort.«
Um zwei Uhr nachmittags kam Marat. Er wirkte schmuddeliger denn je. Sogar seine Haut hatte jetzt den Farbton verwischter Druckerschwärze.
»Müssen wir uns hier treffen?«, sagte Danton. »Ich habe Sie nicht hierhergebeten. Ich will nicht, dass meine Frau und mein Sohn Alpträume bekommen.«
»Es wird Ihnen noch eine Ehre sein, mich zu empfangen – danach. Und wer weiß, vielleicht werde ich in einer Republik ja reinlich? – Also gut«, fuhr er munter fort (eine gewisse Zeit für persönliche Beleidigungen plante er immer schon ein), »ich habe die Brissotisten im Verdacht, einen Handel mit dem Hof einzugehen. Sie haben Kontakt zu Marie Antoinette, das kann ich beweisen. Nichts von dem, was sie im gegenwärtigen Stadium tun, kann uns schaden, aber es stellt sich die Frage, wie wir danach mit ihnen verfahren.«
Danach – dieses Wort fiel im Gespräch immer öfter.
Danton schüttelte den Kopf. »Kommt mir unwahrscheinlich vor. Rolands Frau würde sich auf so einen Handel nie einlassen. Schließlich hat sie die anderen um ihre Ämter gebracht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie mit Marie Antoinette spricht.«
»Dann lüge ich also?«, fragte Marat.
»Ich leugne nicht, dass einige von ihnen sicher verhandlungsbereit wären. Sie wollen ihre Posten zurück. Was nur wieder zeigt, dass es so etwas wie einen Brissotisten nicht gibt.«
»Außer es nützt uns«, sagte Marat.
VIER UHR NACHMITTAGS, Rue des Cordeliers: »Aber du kannst dich nicht einfach so verabschieden!« Camille war außer sich. »Du kannst nicht mitten an einem sonnigen Nachmittag hier auftauchen und sagen: War schön, dich zwanzig Jahre gekannt zu haben, aber jetzt lasse ich mich abschlachten.«
»Doch«, sagte Louis Suleau unsicher. »Anscheinend doch.«
Einmal hatte er bereits Glück gehabt, der Chronist der Apostelgeschichte. ’89 und ’90 hätte er jederzeit vom Mob zerrissen werden können – der Gefolgschaft des Laternenanwalts. »Sooft ich an einer Laterne vorbeikomme«, hatte er geschrieben, »scheint sie sich begehrlich nach mir langzumachen.«
Camille sah ihn an, sprachlos, fassungslos – dabei hätte er eigentlich vorbereitet sein müssen. Louis war im Ausland gewesen, in den Lagern der Emigrés. Warum sollte er nun nach Paris zurückkehren, wenn nicht in selbstmörderischer Mission?
»Aber du bist doch auch Risiken eingegangen«, sagte Louis. »Du weißt selber, was einen dazu treibt. Ich habe es aufgegeben, aus dir einen Royalisten machen zu wollen, aber eins haben wir immerhin gemeinsam – wir bleiben unseren Prinzipien treu. Ich bin bereit, den Palast mit meinem Leben zu verteidigen, aber wer weiß, vielleicht
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