Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety
lassen Sie mich ihre Verbrechen vermehren«, sagte Danton. Er streckte die Hand aus und packte Mandat beim Revers, zerrte ihn gewaltsam über die Schwelle. Rossignol beugte sich vor und brachte geschickt das Rapier des Marquis an sich; er drehte den Knauf in den Fingern und schnitt eine Grimasse.
Auf dem Gang sah sich Mandat von feindseligen Gesichtern umringt. Er wurde schlaff vor Angst. »Nicht jetzt«, sagte Danton. »Jetzt noch nicht, meine Freunde. Überlasst das nur mir, ich brauche keine Hilfe.« Er packte noch fester zu. »Weiger dich nur weiter, Mandat«, sagte er und schleifte ihn in Richtung Thronsaal, wo die neue Kommune versammelt saß. Er lachte. Es war wie damals in der Kindheit – die ungestrafte Brutalität, als es nur Schwarz oder Weiß gab.
FÜNF UHR MORGENS. Marie Antoinette: »Es gibt keine Hoffnung mehr.«
FÜNF UHR MORGENS: Gabrielle begann zu schaudern und zu zittern. »Ich glaube, ich muss mich übergeben«, sagte sie. Louise Robert rannte nach einer Schüssel und hielt sie ihr hin, während Lucile ihr die Haare über die Schultern nach hinten raffte und aus der Stirn strich. Als das trockene Würgen nachließ, führten sie sie zu einem Sofa, stellten die Schüssel diskret in Reichweite, schoben ihr Kissen ins Kreuz und betupften ihr die Schläfen mit Lavendelwasser. »Ihr habt es wahrscheinlich schon erraten«, sagte Gabrielle, »ich bin wieder in der Hoffnung.«
»O nein, Gabrielle!«
»Normalerweise wird man zu so etwas beglückwünscht«, sagte sie milde.
»Schon, aber so bald«, stöhnte Lucile.
»Tja, was bleibt einem übrig?« Louise Robert zuckte mit den Schultern. »Entweder man wird schwanger, oder man benutzt englische Überzieher, welche andere Wahl hat man denn?«
»Englische Überzieher?« Gabrielle sah mit glasigem Blick von einer zur anderen.
»Was denn noch alles!«, rief Louise voller Verachtung. »Was heißt de facto? Was sind englische Überzieher? Eine richtige edle Wilde, die wir hier haben, Lucile.«
»Es tut mir leid«, sagte Gabrielle. »Ich komm nicht mit, wenn ihr redet.«
»Versuch’s erst gar nicht«, sagte Lucile. »Rémy kennt sich bestens mit englischen Überziehern aus, aber verheiratete Männer haben es nicht so damit. Schon gar nicht Georges-Jacques, könnte ich mir vorstellen.«
»Ich glaube nicht, dass wir wissen möchten, was Sie sich vorstellen, Mme Desmoulins«, sagte Louise. »Nicht in diesem Zusammenhang.«
In Gabrielles Wimpern blinkte eine Träne. »Es macht mir eigentlich gar nichts aus, schwanger zu sein. Er freut sich immer so. Und man gewöhnt sich daran.«
»Wenn das so weitergeht«, sagte Lucile, »bringst du es auf acht oder neun. Wann kommt es?«
»Im Februar, glaube ich. Es scheint noch so lange hin.«
»Geh nach Hause. Schlaf. Zwei Stunden.«
Zum geisterhaften Fackelschein morgens um drei die Flüche der Soldaten, unterlegt mit dem Rumpeln und Ächzen rollender Kanonen.
»Schlafen?«, sagte Camille. »Originelle Idee. Finde ich dich dann im Palast?«
Danton blies ihm seinen Schnapsatem ins Gesicht. »Nein, wieso im Palast? Santerre hat die Nationalgarde unter sich, wir haben Westermann, er ist ein alter Soldat, überlass die Sache nur ihm. Wann wirst du endlich begreifen, dass es völlig unnötig ist, ständig Kopf und Kragen zu riskieren?«
Camille lehnte sich an die Wand und vergrub das Gesicht in den Händen. »Fette Anwälte, die in Amtszimmern sitzen«, murmelte er. »Sehr aufregend.«
»Für einen normalen Menschen ist das mehr als genug Aufregung«, sagte Danton. Und fügte stumm hinzu: Wenn es nur gut geht, wenn wir es nur schaffen, wenn wir nur den Sonnenaufgang erleben! »Herrgott noch mal, Camille, geh nach Hause«, sagte er laut. »Bevor mich diese Schnur, mit der du deine Haare zusammenbindest, noch zu einer Gewalttat reizt.«
Der Marquis de Mandat war von der neuen Kommune verhört und anschließend in ein Zimmer im Rathaus gesperrt worden. Als es dämmerte, regte Danton an, dass man ihn hinüber nach Abbaye brachte. Vom Fenster aus beobachtete er, wie Mandat an der Seite eines kräftigen Wachmanns die Treppe hinuntergeführt wurde.
Er nickte Rossignol zu. Rossignol lehnte sich aus dem Fenster und erschoss Mandat.
»Kommt«, sagte Lucile. »Tapetenwechsel.« Die drei Frauen klaubten ihre Sachen zusammen, verschlossen die Türen, gingen die Treppe hinunter und hinaus auf die Cour du Commerce. Sie wollten hinüber in Luciles Wohnung, um wenigstens anderswo weiterzuwarten. Keine Menschenseele zu sehen,
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