Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety
schafft.«
»Was für Probleme? Wo ist die Obrigkeit, die mir etwas anhaben kann?«
»Ja, darauf läuft es wohl hinaus. Camille, es tut mir leid, dass ich deinen kleinen Sohn nie gesehen habe.«
Er streckte die Hand aus. Camille drehte sich weg. Louis sagte: »Pater Bérardier ist im Gefängnis, Camille. Wirst du versuchen, ihn freizubekommen?«
Mit abgewandtem Gesicht sagte Camille: »Dieses Essen mit den Marseillern wird bis etwa halb neun dauern, immer vorausgesetzt, sie fangen nicht an zu singen. Danach werde ich bei Danton sein, wo immer er ist. Du kannst jederzeit bei ihm Unterschlupf suchen. Weder er noch seine Frau würden dich verraten.«
»Ich kenne Danton nicht. Ich weiß natürlich, wie er aussieht, aber wir haben nie miteinander gesprochen.«
»Müsst ihr auch nicht. Sag ihm einfach, dass ich will, dass dir nichts zustößt. Dass du eine von meinen Marotten bist.«
»Schaust du mich vielleicht noch mal an?«
»Nein.«
»Spielst du Lots Frau?«
Camille lächelte und drehte sich um. Die Tür fiel zu.
»Ich weiß nicht, ob ich noch versuchen sollte, bis nach Fontenay zu kommen«, sagte Angélique. »Ich kann bei Victor schlafen. Möchtest du deinen Onkel besuchen, Antoine?«
»Nein«, sagte Antoine.
Danton lachte. »Er ist ein Kämpfer, er will hierbleiben.«
»Sind sie bei Victor denn sicher?« Gabrielle sah elend aus, fahl vor Anspannung.
»Ja, ja, ja. Sonst würde ich sie ja wohl nicht hingehen lassen. Ah, Lolotte, da bist du ja.«
Lucile kam ins Zimmer gewirbelt und legte Danton die Hände auf die Schultern. »Nicht so besorgt dreinschauen«, sagte sie. »Wir siegen, ich weiß es.«
»Du hast zu viel Champagner getrunken.«
»Den gönn ich mir heute.«
Er neigte den Kopf und wisperte in ihr Haar: »Ich wünschte, du würdest mir ein bisschen mehr gönnen.« Sie entzog sich ihm lachend.
»Wie könnt ihr?«, wollte Gabrielle wissen. »Wie könnt ihr lachen?«
»Warum nicht, Gabrielle? Weinen werden wir alle früh genug. Vielleicht schon heute Abend.«
»Was möchtest du mitnehmen?«, fragte Angélique den kleinen Jungen mit lauter Stimme. »Möchtest du deinen Kreisel mitnehmen? Ja, ich glaube, den packen wir ein.«
»Zieh ihn warm genug an«, sagte Gabrielle automatisch.
»Es ist brütend heiß, Kind, er wird eher ersticken, als dass er sich verkühlt.«
»Ich weiß, Mutter, ich weiß.«
»Begleitet sie doch ein Stück«, schlug Danton vor. »Solange es noch hell ist.«
»Ich möchte nicht weggehen.«
»Unsinn, komm mit.« Lucile zog sie von ihrem Stuhl hoch. Angélique musste einen Anflug von Zorn unterdrücken. So viele Jahre, und ihre Tochter erkannte immer noch nicht, wann eine Frau besser das Feld räumte. War es Begriffstutzigkeit oder ein unentwegtes, stummes Aufbegehren gegen ihre Lage? An der Tür drehte sie sich um. »Es hat wahrscheinlich nicht viel Sinn, Georges, dich zur Vorsicht zu mahnen, oder?« Sie nickte Camille zu und schob die jüngeren Frauen nach draußen.
»Interessant ausgedrückt«, bemerkte Danton. Vom Fenster aus sahen sie den Kleinen über die Cour du Commerce davonhopsen, zwischen Mutter und Großmutter, die ihn an den Oberarmen halten und durch die Luft fliegen lassen mussten. »Er will immer bis zur Ecke kommen, ohne mit den Füßen den Boden zu berühren.«
»Was für eine gute Idee«, sagte Camille.
»Du siehst so bedrückt aus, Camille.«
»Louis Suleau war bei mir.«
»Aha.«
»Er will sich den Widerständlern im Palast anschließen.«
»Ein Idiot also.«
»Ich habe ihm gesagt, falls er es sich noch anders überlegt, soll er hierherkommen. War das richtig von mir?«
»Riskant, aber moralisch über jeden Zweifel erhaben.«
»Irgendwelche Probleme?«
»Bisher nicht. Hast du Robespierre gesehen?«
»Nein.«
»Wenn du ihn siehst, halte ihn mir vom Leib. Ich will mir heute Nacht nicht von ihm über die Schulter schauen lassen. Es könnte sein, dass ich Dinge tun muss, die sein delikates Schicklichkeitsempfinden verletzen.« Er hielt inne. »Nur ein paar Stunden jetzt noch.«
In den Tuilerien trafen die Höflinge ihre Anstalten für die Zeremonie der königlichen Bettlegung. Sie begrüßten sich förmlich, nach altehrwürdigem Brauch. Hier war der Edelmann, dessen Hand die königlichen Strümpfe entgegennahm, noch warm von der königlichen Wade; hier war der Grande, dem das Privileg zufiel, die königliche Zudecke aufzuschlagen; hier war der Blaublütige, der – wie schon sein Vater und dessen Vater vor ihm – das königliche
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