Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
Vom Netzwerk:
hochgeschreckt – »ich dachte schon, da kommt mein Meuchelmörder.« Er breitete eine Hand schützend über die Papiere. »Oder die Preußen sind da.«
    Fabre war so ausweichend in letzter Zeit, dachte Camille. Nicht, dass Eindeutigkeit sonst seine Sache wäre. Wenn Fabre zwischen Geld und revolutionärem Ruhm wählen müsste – nein, er würde sich weigern, zu wählen, er würde dreist beides für sich fordern.
    »Wie sollen wir eigentlich das Verschwinden der Kronjuwelen bewerten?«, fragte Camille Danton.
    Was sollen wir davon halten? Oder – was sollen wir dazu sagen? Danton hatte an der Doppeldeutigkeit sichtlich zu schlucken.
    »Auf jeden Fall sollten wir sagen, dass Rolands Unvorsichtigkeit einen ganz wesentlichen Teil der Schuld trägt.«
    »Ja, er hätte bessere Sicherheitsvorkehrungen treffen müssen, unbedingt. Fabre war am Tag danach bei der Bürgerin Roland. Um halb elf ging er hin, um ein Uhr kam er wieder zurück. Meinst du, er war dort, um sie ins Gebet zu nehmen?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    Camille sah ihn belustigt von der Seite an. »Und nachdem er die Bürgerin verlassen hatte, ist sie schnurstracks zu ihrem Mann gelaufen und hat ihm gesagt, dass sie gerade Besuch von dem Mann hatte, der den Kronschatz gestohlen hat.«
    »Woher weißt du das?«
    »Vielleicht denke ich es mir ja nur aus. Meinst du, ich denke es mir aus?«
    »Schon möglich«, sagte Danton widerstrebend.
    »Dumouriez ist nicht zu trauen.«
    »Sagt Robespierre, ich weiß. Ich kann es langsam nicht mehr hören.«
    »Robespierre hat immer recht.«
    »Vielleicht sollte ich selbst einmal an der Front nach dem Rechten sehen. Ein paar Leute dort sprechen. Ein paar Missverständnisse aufklären.«
    Wenn also diese pastorale Stimmung über ihn kam, war das vielleicht nichts anderes als verkappte Angst. Verwundbar genug war er weiß Gott, auch wenn das Wort nicht recht auf ihn passen zu wollen schien. Verwundbar durch Dumouriez und auch durch die Anhänger der Bourbonen, falls die auf die Einhaltung gewisser Versprechungen pochten … »Wir haben nichts zu befürchten. M. Danton gibt auf uns acht.«
    Camille schob die Erinnerung hastig beiseite, strich sich nervös das Haar nach hinten, als wäre jemand bei ihm im Zimmer. Im Geist hörte er wieder Robespierres Stimme an jenem kalten Frühlingstag 1790: »Sobald du Zuneigung zu jemandem fasst, fliegt dein Verstand zum Fenster hinaus. Schau dir den Comte de Mirabeau an – objektiv, wenn dir das einen Moment lang gelingt. Sein Lebensstil, seine Worte, seine Handlungen, durch all das bin ich sofort vorgewarnt – dazu ein Fünkchen rationales Denken, und schon erkenne ich ihn als den machtbesessenen Egomanen, der er ist. Warum siehst du also nicht, was für jeden anderen klar auf der Hand liegt? Sonst gibst du deinen Gefühlen doch auch nicht nach, wenn sie deinen höheren Zielen im Weg stehen. Du hast Angst vor öffentlichen Auftritten, aber du kämpfst sie nieder. So muss es sein – du musst deine Gefühle an die Kandare nehmen.«
    Nun, sollte ihm diese hartnäckige, unerbittliche Stimme eines Tages einflüstern wollen, dass es Danton an Redlichkeit fehlte – darauf hat er eine Antwort parat, keine logische zwar, aber dafür eine so niederschmetternde, dass sie die Logik vorerst außer Kraft setzen würde. Denn Dantons Patriotismus anzweifeln hieße die ganze Revolution in Frage stellen. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen, und Dantons Frucht ist der 10. August. Er hat erst die Republik der Cordeliers erschaffen und dann die Republik Frankreich. Wenn Danton kein Patriot ist, dann haben wir die Angelegenheiten der Nation sträflich fahrlässig gehandhabt. Wenn Danton kein Patriot ist, dann sind auch wir keine Patrioten. Wenn Danton kein Patriot ist, dann muss alles wieder von vorne begonnen werden, angefangen im Mai ’89.
    Die Vorstellung musste selbst Robespierre die Kraft rauben.
    Als die Nachricht vom Sieg bei Valmy Paris erreichte, war die ganze Stadt außer sich vor Erleichterung und Glück, und erst später begannen Vereinzelte sich zu fragen, warum die Franzosen ihren Vorteil nicht sofort genutzt hatten, um das fliehende Heer Braunschweigs zu verfolgen und aufzureiben. Der Nationalkonvent hatte bei seinem ersten Zusammentreten offiziell die französische Republik ausgerufen, da schien dieser Sieg gerade das rechte Omen. Bald werden sich keine Feinde mehr auf französischem Boden befinden – zumindest keine äußeren. Die Generäle werden Mainz, Worms, Frankfurt

Weitere Kostenlose Bücher