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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Zimmer zeigen könnten«, sagte Charlotte. »Wir sind müde.«
    Mit brennenden Wangen ging die Ältere ihnen voran. Sie war weder hochmütig noch kleinlich, aber einen gewissen Respekt war sie doch gewohnt – von ihren Töchtern, den Gehilfen ihres Mannes. Charlotte hatte mit ihr geredet wie mit einer Dienstmagd.
    Auf der Schwelle wandte sie sich um. »Es ist alles sehr schlicht. Wir führen ein einfaches Haus.«
    »Das sehe ich«, sagte Charlotte.
    Der Boden war frisch gebohnert, an den Fenstern hingen neue Vorhänge, die liebe kleine Babette hatte eine Vase mit Blumen gefüllt. Mme Duplay ließ Charlotte den Vortritt. »Wenn es irgendetwas gibt, womit wir zu Ihrem Wohlbefinden beitragen könnten, sagen Sie nur Bescheid.«
    Sie können in gar keiner Weise zu meinem Wohlbefinden beitragen, gab Charlottes steinerne Miene zur Antwort.
    Maurice Duplay füllte seine Pfeife und sog genießerisch den Tabakduft ein. Wenn der Bürger Robespierre im Haus war, rauchte er aus Rücksicht auf seine patriotische Lunge grundsätzlich nicht. Augustin machte es nichts aus.
    »Sicher«, sagte Duplay, »sie ist Ihre Schwester. Ich sollte sie nicht kritisieren.«
    »Tun Sie’s ruhig«, meinte Augustin. »Ich sage Ihnen vielleicht besser ein paar Worte zu Charlotte. Von Max werden Sie nichts zu hören bekommen. Er ist ein zu guter Mensch, er versucht immer das Beste von anderen zu denken.«
    »Ach ja?« Duplay war gelinde überrascht, aber vermutlich machte auch Bruderliebe blind. Der Bürger Robespierre war offen, gerecht, unparteiisch – aber Milde, nein, Milde zählte nicht zu seinen hervorstechenden Eigenschaften.
    »Ich habe keinerlei Erinnerung an unsere Mutter«, sagte Augustin. »Max schon, aber irgendwie wollte er nie von ihr sprechen.«
    »Eure Mutter ist tot? Ich wusste nicht, dass eure Mutter tot ist.«
    Augustin sah ihn verblüfft an. »Er hat Ihnen nie von unserer Familie erzählt?« Er schüttelte den Kopf. »Wie sonderbar.«
    »Wir dachten immer, ein Streit. Ein schlimmer Streit. Wir wollten nicht indiskret sein.«
    »Sie starb, als ich noch ganz klein war. Unser Vater hat uns verlassen. Wir wissen nicht, ob er noch lebt oder tot ist. Wobei ich mich frage – wenn er noch lebt, müsste er dann nicht von Max gehört haben?«
    »Anzunehmen, wenn er sich irgendwo in der zivilisierten Welt aufhält. Es sei denn, er ist Analphabet.«
    »Nein, er ist kein Analphabet.« Augustin nahm die Dinge gern wörtlich. »Was er dann wohl denkt? Unser Großvater hat uns aufgezogen, die Mädchen wurden zu unseren Tanten gegeben. Bis wir dann nach Paris auf die Schule kamen. Da kam Charlotte natürlich nicht hin. Dann starb Henriette, wir hatten nämlich noch eine Schwester, mit der Max sich immer sehr gut verstanden hat, wenn sie sich sahen, wahrscheinlich hat das Charlotte auch ein bisschen eifersüchtig gemacht. Sie war noch ein Kind, als sie anfing, uns den Haushalt zu führen. Das hat ihr viel von ihrer Jugend genommen, fürchte ich. Aber sie ist noch keine dreißig. Sie könnte noch heiraten.«
    Duplay zog an seiner Pfeife. »Warum versucht sie es nicht damit?«
    »Sie hat eine Enttäuschung erlitten. Sie kennen ihn übrigens – er wohnt gleich hier um die Ecke, der Abgeordnete Fouché. Wissen Sie, welchen ich meine? Er hat keine Wimpern und so ein grünblasses Gesicht.«
    »War es eine große Enttäuschung?«
    »Ich glaube nicht, dass ihr furchtbar viel an ihm lag, aber sie war der Meinung, dass sie … Sie wissen ja, wie manche Leute sind, sie sind sauertöpfisch zur Welt gekommen, und sie nehmen die Missgeschicke, die ihnen im Leben zustoßen, als Entschuldigung dafür. Ich war schon dreimal verlobt, müssen Sie wissen. Letztlich grauste ihnen allen zu sehr davor, Charlotte als Schwägerin zu bekommen. Sie hat uns zu ihrer Lebensaufgabe gemacht. Sie duldet keine anderen Frauen neben sich. Niemand darf etwas für uns tun als nur sie.«
    »Hmm. Meinen Sie, das ist der Grund, warum Ihr Bruder nie geheiratet hat?«
    »Ich weiß es nicht. Er hatte schon so viele Chancen. Die Frauen mögen ihn. Aber andererseits – vielleicht ist er auch einfach nicht fürs Heiraten geschaffen.«
    »Erzählen Sie das nicht in der Stadt herum«. sagte Duplay. »Dass er nicht fürs Heiraten geschaffen ist.«
    »Oder er hat Angst, dass unsere Familie kein Einzelfall ist. Nicht oberflächlich, meine ich, sondern in einem tieferen Sinn. Familien wie unsere gehörten gesetzlich verboten.«
    »Vielleicht sollten wir keine Mutmaßungen darüber anstellen,

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