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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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was er denkt. Wenn er wollte, dass wir es wissen, dann würde er es uns erzählen. Viele Kinder verlieren ihre Eltern. Wir hoffen, ihr betrachtet nun uns als eure Familie.«
    »Ja, viele Kinder verlieren ihre Eltern, das stimmt – aber das Problem bei meinem Vater ist, dass wir nicht wissen, ob wir ihn verloren haben oder nicht. Irritierend, diese Vorstellung, dass er höchstwahrscheinlich noch irgendwo am Leben ist, vielleicht sogar hier in Paris, und in der Zeitung täglich von Max liest. Was ist, wenn er eines Tages auftaucht? Denn das könnte ja jederzeit passieren, er könnte in den Konvent kommen, sich in die Galerie setzen und auf uns herunterschauen … Wenn ich ihm auf der Straße begegnen würde, dann würde ich ihn nicht erkennen. Als Kind habe ich immer gehofft, er würde zurückkommen … und gleichzeitig graute mir davor, was das bedeuten könnte. Unser Großvater fing immer dann von ihm an, wenn er schlechter Laune war. ›Zu Tode wird er sich gesoffen haben, was sonst?‹ – solche Bemerkungen. Und alle haben uns ständig beobachtet und nach Anzeichen Ausschau gehalten. Noch heute sagen die Leute in Arras, die Max seine Karriere nicht gönnen: ›Der Vater war ein Säufer und ein Casanova, und die Mutter war auch keine Heilige.‹ Nur natürlich in keinen so freundlichen Worten.«
    »Augustin, Sie müssen das alles abschütteln. Sie sind jetzt in Paris, Sie können noch einmal von vorn anfangen. Ich hoffe, Ihr Bruder wird meine älteste Tochter heiraten. Sie wird ihm Kinder schenken.« Augustin nickte stumm. »Und bis dahin hat er seine guten Freunde.«
    »Meinen Sie? Gut, ich bin noch nicht lange hier, aber mein Eindruck ist eher, dass er hauptsächlich Verbündete hat. Sicher, er hat Bewunderer en masse – aber keine Gruppe von Freunden, so wie Danton.«
    »Sie pflegen natürlich einen sehr unterschiedlichen Stil. Er hat die Desmoulins. Camilles Sohn ist sein Patenkind, wussten Sie das?«
    »Wenn es Camilles Sohn ist. Sehen Sie … mir tut mein Bruder leid. Nichts, was er hat, ist je ganz das, was es scheint.«
    »Ich bin ein Mensch, der seine Pflichten kennt«, sagte Charlotte. »Das sind die wenigsten, wie ich merke.«
    »Ich weiß, Charlotte.« Ihr älterer Bruder sprach immer so sanft mit ihr wie nur möglich. »Was für eine Pflicht vernachlässige ich deiner Meinung nach denn?«
    »Du solltest nicht hier wohnen.«
    »Warum nicht?« Er wusste mindestens einen Grund, und wahrscheinlich, so dachte er, wusste sie ihn auch.
    »Du bist ein bedeutender Mann. Du bist ein großer Mann. Darum solltest du dich auch als einer geben. Der äußere Anschein zählt. Und zwar nicht zu knapp. Danton macht es richtig. Er macht Wind um sich. Das gefällt den Leuten. Ich bin noch nicht sehr lange hier, aber so viel habe ich auch schon bemerkt. Danton …«
    »Charlotte, Danton gibt viel zu viel Geld aus. Und zwar Geld aus dubiosen Quellen.« Sein Tonfall legte ihr nahe, das Thema zu wechseln.
    »Danton zeigt Stil«, beharrte sie. »Es heißt, wenn das Kabinett in den Tuilerien zusammenkommt, setzt er sich ganz selbstverständlich auf den Stuhl des Königs.«
    »Und füllt ihn zweifellos bis auf den letzten Zentimeter aus«, sagte Robespierre trocken. »Und wenn zu dem Stuhl noch ein Tisch gehören würde, würde Danton die Füße darauf legen. Manche Menschen, Charlotte, sind von der Natur mehr für solche Dinge geschaffen als andere. Und sie machen sich nicht nur Freunde dadurch.«
    »Seit wann ist dir an Freunden gelegen? Soviel ich weiß, hast du dich noch nie einen Pfifferling darum geschert. Denkst du, du stehst besser vor den Leuten da, wenn du in einer Büßerzelle haust?«
    »Ich weiß nicht, warum du es mit aller Gewalt schlechtmachen musst. Ich habe es wunderbar bequem hier. Mir geht nichts ab.«
    »Du hättest es noch viel besser, wenn ich mich um dich kümmern würde.«
    »Liebe Charlotte, du hast dich dein Leben lang um uns gekümmert – willst du dir nicht einmal eine Pause gönnen?«
    »Im Haus einer anderen Frau?«
    »Alle Häuser gehören jemandem, und in den meisten davon leben auch Frauen.«
    »Wir könnten unter uns sein. In einer schönen, komfortablen Wohnung für uns ganz allein.«
    Es würde einige Probleme lösen, dachte er. Ihre Miene verdüsterte sich, während sie ihn beobachtete, sich gegen seine Einwände wappnete. Er öffnete schon den Mund, um Ja zu sagen. »Und da ist noch etwas«, sagte sie.
    Er schloss den Mund wieder. »Nämlich?«, fragte er dann.
    »Diese Mädchen.

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