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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Collot d’Herbois war in Lyon, wo er die Rebellen bestrafte. Danton genoss die Landluft. Saint-Just und Babettes Mann, Philippe Lebas, waren bei den Armeen, und Robespierre konnte sich unter der Last der vielen Arbeit für den Wohlfahrtsausschuss oft nicht aus den Tuilerien loseisen. Camille und Fabre waren es leid, die leeren Plätze zu zählen. Es war niemand mehr da, den sie sonderlich mochten, und niemand, den sie hätten niederbrüllen wollen. Und Marat war tot.
    Ein paar Tage nach dem Souper tauchte Théroigne in der Rue des Cordeliers auf. Ihre Kleider hingen an ihr herunter, sie sah ungewaschen und irgendwie verzweifelt aus. »Ich möchte Camille sprechen«, sagte sie. Sie hatte die Eigenart entwickelt, den Kopf wegzudrehen, wenn sie mit jemandem sprach, als führte sie einen privaten Monolog, in den man sich nicht einmischen durfte. Camille, der einfach nur dagesessen und ins Leere gestarrt hatte, hörte sie. »Ja, meine Liebe«, sagte er. »Sie sind ziemlich heruntergekommen. Wenn das alles ist, was Sie noch an weiblichem Charme aufbringen, waren Sie mir in Ihrer früheren Verfassung lieber.«
    »Sie haben immer noch umwerfende Manieren«, sagte Théroigne, den Blick auf die Wand gerichtet. »Was ist das? Dieser Kupferstich? Diese Frau wird gleich geköpft.«
    »Das ist Maria Stuart, die bevorzugte historische Figur meiner Frau.«
    »Wie seltsam«, sagte sie tonlos.
    »Setzen Sie sich«, sagte Lucile. »Kann ich Ihnen etwas anbieten? Etwas Warmes zu trinken?« Sie war von Mitleid übermannt – jemand sollte dieser Frau etwas zu essen geben, ihr das Haar bürsten, Camille sagen, dass er nicht so mit ihr reden sollte. »Wäre es Ihnen lieber, wenn ich gehe?«, fragte sie.
    »Nein, das ist schon in Ordnung. Sie können bleiben, wenn Sie wollen. Oder auch gehen. Es ist mir egal.«
    Als sie ins Licht trat, sah Lucile die Narben auf ihrem Gesicht. Vor Monaten war sie auf der Straße von einer Frauenbande verprügelt worden, wie Lucile wusste. Was hat sie gelitten, dachte Lucile, Gott behüte mich vor so etwas. Es schnürte ihr die Kehle zu.
    »Was ich will, wird nicht lange dauern«, sagte Théroigne. »Sie wissen, wie ich denke, oder?«
    »Ich wusste gar nicht, dass Sie denken.«
    »Sie wissen, wo meine Sympathien liegen. Brissots Leuten wird diese Woche der Prozess gemacht. Ich gehöre zu ihnen, zu Brissots Leuten.« Ihre Stimme klang völlig leidenschaftslos. »Ich glaube an das, was sie vertreten und was sie zu erreichen versucht haben. Und mir gefällt weder Ihre Politik noch die von Robespierre.«
    »Ist das alles? Sind Sie deswegen hergekommen?«
    »Ich möchte, dass Sie jetzt sofort zum Bezirksausschuss gehen und mich denunzieren. Ich komme mit. Ich werde nichts abstreiten, egal was Sie über mich sagen, und werde genau das wiederholen, was ich eben gesagt habe.«
    Lucile: »Anne, was ist nur mit Ihnen los?«
    »Sie will sterben«, sagte Camille. Er lächelte.
    »Ja«, sagte sie mit dem gleichen teilnahmslosen Wispern. »Das will ich.«
    Lucile ging zu ihr. Doch Théroigne stieß ihre Hände weg, und Camille warf ihr einen bitterbösen Blick zu. Sie wich zurück, schaute von einem zum anderen.
    »Es ist ganz einfach«, sagte Camille. »Gehen Sie raus auf die Straße und rufen Sie: ›Lang lebe der König.‹ Dann werden Sie sofort festgenommen.«
    Anne hob ihre knochige Hand an ihre Augenbraue. Eine weiße Narbe zeigte, wo man ihr eine Platzwunde zugefügt hatte. »Ich habe eine Rede gehalten«, sagte sie. »Und das war die Folge. Die haben mich mit der Peitsche geschlagen, mir in den Bauch getreten und auf mir herumgetrampelt. Ich habe gedacht, das ist mein Ende. Aber es wäre ein elender Tod gewesen.«
    »Versuchen Sie’s mal mit dem Fluss«, sagte Camille.
    »Denunzieren Sie mich. Gehen wir zum Ausschuss, jetzt gleich. Es wäre doch in Ihrem Sinne. Sie wollen doch Rache.«
    »Ja«, sagte er, »ich will Rache. Aber warum sollten Sie in den Genuss eines zivilisierten Endes kommen? Ich verabscheue Brissots Leute, aber sie sollten nicht mit Abschaum wie Ihnen in Verbindung gebracht werden. Nein, Théroigne, Sie können auf der Straße sterben – so wie Louis Suleau. Sterben Sie, wo immer der Tod Sie ereilt, egal von wessen Händen. Ich hoffe, Sie müssen lange darauf warten.«
    Ihre Miene veränderte sich nicht. Ihr Blick schweifte über den Teppich, und sie sagte unterwürfig: »Bitte.«
    »Gehen Sie«, sagte Camille.
    Sie neigte den Kopf. Das Gesicht abgewandt, ging sie langsam, erschöpft, zur Tür.

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