Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
Vom Netzwerk:
Vorwurf machen«, sagte der öffentliche Ankläger. »Wobei es nach meinem Tod«, setzte er hellsichtig hinzu, »zweifellos doch darauf hinauslaufen wird. Wenn du mich bitte entschuldigst, Vetter.«
    Der Schuldspruch war einstimmig. Hermann beugte sich vor und fragte die Gefangene, ob sie noch etwas zu sagen wünsche. Die einstige Königin von Frankreich schüttelte den Kopf. Ihre Finger fuhren ungeduldig auf der Armlehne hin und her. Hermann verkündete das Todesurteil.
    Das Gericht erhob sich. Wärter traten herzu, um die Gefangene hinauszuführen. Fouquier blickte ihr nicht nach. Sein Vetter eilte zu ihm, um ihm mit seinen Aktenstößen zu helfen. »Morgen wird harmlos«, sagte Fouquier. »Da, nimmst du das? Man sollte ja meinen, dem öffentlichen Ankläger stünde irgendein Gerichtsdiener zur Verfügung.«
    Hermann nickte Camille höflich zu, und Fouquier wünschte dem Präsidenten eine gute Nacht. Camilles Augen waren auf die davonhumpelnde Witwe Capet gerichtet. »Welch Krönung unseres revolutionären Strebens«, sagte er. »Einer alten Trutsche den Kopf abzuhacken.«
    »Was bist du wetterwendisch, Camille. Als hättest du für die Österreicherin je ein gutes Wort übrig gehabt. Komm. Normalerweise wahre ich ja meine Würde, indem ich in meiner Amtskutsche fahre, aber ich brauche frische Luft. Oder musst du Robespierre Bericht erstatten?«
    Er zeigte sich gern mit seinem Vetter in der Öffentlichkeit. Es machte ihn stolz, ihn zusammen mit Danton zu erleben – die Anspielungen, Scherze und vielsagenden Blicke zu sehen, die die beiden untereinander tauschten, und zu beobachten, wie Danton den fleischigen Arm um seinen Vetter legte oder wie sein Vetter bei einer der vielen nächtlichen Sitzungen seine gefährlichen Augen schloss und den Kopf vertrauensvoll an Dantons Schulter bettete. Bei Robespierre kam dergleichen natürlich nicht vor. Robespierre berührte fast nie jemanden. Seine Züge waren verschlossen, abweisend. Aber Camille verstand es, einen lebhaften, zugewandten Ausdruck auf sein Gesicht zu zaubern; sie hatten Erinnerungen, die sie verbanden, und vielleicht sogar einen gemeinsamen Humor. Manche Leute wollten gesehen haben – obwohl das fast einer Gotteslästerung gleichkam –, wie Camille Robespierre zum Lachen brachte.
    Jetzt schüttelte sein Vetter den Kopf. »Robespierre schläft wahrscheinlich schon. Es sei denn, der Ausschuss tagt noch. Und die Wahrscheinlichkeit, dass du unterliegst, war ja nun nicht sehr hoch.«
    »Himmel, nein.« Fouquier hakte sich bei seinem Vetter ein, und sie traten hinaus in den frostigen Morgen. Ein Polizist salutierte vor ihnen. »Der nächste große Prozess ist der gegen Brissot – und den ganzen restlichen Haufen, soweit wir sie zu fassen bekommen haben. Ich untermauere meine Anklage mit deinen Schriften – deiner ›Geheimen Geschichte‹ und diesem anderen Artikel, den du über Brissot geschrieben hast, nach eurem Streit über deinen Glücksspielfall. Gute Arbeit: Ich borge mir ein paar deiner Formulierungen aus, wenn du gestattest. Ich hoffe, du wirst im Gerichtssaal sein, um den Applaus einzustecken.«
    Ach, diese Tage nach dem Fall der Bastille: Brissot bei Camille in der Redaktion, auf der Schreibtischkante sitzend, und herein rauschte Théroigne und drückte Brissots vertrockneter Wange einen schmatzenden Kuss auf. Er war mein Freund, denkt Camille; und dann kam der Glücksspielfall, und auf einmal fanden wir uns in unterschiedlichen Lagern wieder, er wendete es ins Persönliche, und ich hasse Kritik ! So gut kennt er sich inzwischen: Entweder er braust auf, oder er knickt ein, entweder attackiert er, oder – ja, was? »Antoine«, sagt er zu seinem Vetter, »ich scheine sämtliche Formen des Angriffs zu kennen. Aber irgendwie kenne ich keine einzige Form der Verteidigung.«
    »Komm jetzt«, sagte der Staatsanwalt. Er hatte keine Ahnung, wovon sein Vetter redete, aber das war nichts Neues. Er streckte die Hand aus, zauste Camille das Haar. Der riss den Kopf zur Seite, als hätte eine Wespe ihn gestochen. Fouquier nahm es gelassen. Er war guter Dinge, er freute sich auf die Flasche Wein, mit der er sich belohnen würde, nun da alles vorbei war; während der großen Prozesse trank er nach Möglichkeit nichts. Nur mit dem Schlafen, fürchtete er, konnte es schwierig werden – entweder das, oder die Alpträume kamen zurück. Vielleicht hatte sein Vetter, mit dem er so sträflich wenig Zeit verbrachte, ja Lust, mit ihm aufzubleiben und zu reden. Für zwei

Weitere Kostenlose Bücher