Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety
Was ja verständlich ist.« Schließlich hat sie den ganzen Schmerz ertragen müssen, dachte er. Und die Schande. »Ich möchte das innerhalb der kommenden paar Monate regeln. Ich will einen Schlussstrich ziehen und mit Gabrielle ganz neu beginnen.«
»Na ja, einen Schlussstrich würde ich das nicht nennen«, sagte Charpentier sanft. »Es ist eher das Gegenteil. Sie nehmen eine Hypothek auf Ihre Zukunft auf. Können Sie denn nicht –«
»Nein, ich kann mich nicht mit ihr anlegen. Ich habe sie mal sehr gern gehabt. Außerdem denke ich an den Jungen. Und sagen Sie selbst – wäre ich die Sorte Mann, den Sie sich als Schwiegersohn wünschten, wenn ich eine andere Haltung einnähme?«
»Nein, das sehe ich durchaus, verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin einfach alt und abgebrüht und sorge mich um Sie. Wann will diese Frau die letzte Zahlung haben?«
»Am ersten Quartalstag ’91. Finden Sie, ich sollte Gabrielle von alldem erzählen?«
»Das müssen Sie selbst entscheiden. Vielleicht könnten Sie zwischen jetzt und der Hochzeit Vorsicht walten lassen?«
»Hören Sie, ich habe vier Jahre Zeit, um die Summe abzubezahlen. Ich werde das Beste aus der Sache machen.«
»Nun, man kann als königlicher Rat zweifellos gut verdienen. Das will ich nicht bestreiten.« M.Charpentier dachte: Er ist jung, er ist unerfahren, er ist in jeder Hinsicht gefordert, und er kann unmöglich so selbstsicher sein, wie er sich gibt. Er wollte d’Anton Mut zusprechen. »Sie wissen ja, was Maître Vinot sagt – er meint, dass unruhige Zeiten vor uns liegen, und in unruhigen Zeiten nehmen die Rechtsstreitigkeiten zu.« Er rollte die Blätter zusammen, um sie zu den Akten zu legen. »Ich könnte mir denken, dass zwischen jetzt und ’91 irgendetwas geschehen wird, was Ihre Geschicke begünstigt.«
2. MÄRZ 1787: Es war Camilles siebenundzwanzigster Geburtstag, und seit einer Woche hatte ihn niemand mehr gesehen. Er schien wieder einmal die Wohnung gewechselt zu haben.
Die Notabelnversammlung war an einem toten Punkt angelangt. Im voll besetzten Café ging es laut und rechthaberisch zu.
»Was war das, was der Marquis de Lafayette gesagt hat?«
»Er hat gesagt, die Generalstände sollten einberufen werden.«
»Die sind doch ein Relikt aus alten Zeiten. Das letzte Mal sind sie –«
»1614.«
»Danke, d’Anton«, sagte Perrin, »– 1614 zusammengekommen. Wie sollen die unsere Erwartungen erfüllen? Der Klerus wird in einem Saal debattieren, der Adel in einem anderen und der Dritte Stand in einem dritten, und was immer wir Gemeinen beschließen, wird von den anderen beiden Ständen überstimmt werden. Welcher Fortschritt –«
»Hören Sie«, unterbrach ihn d’Anton, »auch alte Institutionen können eine neue Form annehmen. Es muss nicht zwangsläufig das Gleiche passieren wie beim letzten Mal.«
Die ganze Gruppe schaute ihn ernst an. »Lafayette ist ein junger Mann«, sagte Perrin.
»Ungefähr so alt wie Sie, Georges.«
Ja, dachte d’Anton, und während ich über den dicken Wälzern in Maître Vinots Kanzlei gebrütet habe, hat er Armeen angeführt. Jetzt bin ich ein mittelloser Anwalt, und er ist der Held von Frankreich und Amerika. Lafayette kann danach streben, ein Führer der Nation zu werden, und ich kann danach streben, mich über Wasser zu halten. Und jetzt hatte dieser junge Mann von unauffälligem Äußeren, mager, rötlichblond, sein Publikum in den Bann geschlagen, eine Idee in den Raum gestellt; und d’Anton, der eine irrationale Abneigung gegen diesen Burschen hegte, sah sich genötigt, ihn auch noch zu verteidigen. »Die Generalstände sind unsere einzige Hoffnung«, sagte er. »Man müsste uns, dem Dritten Stand, eine angemessene Vertretung zugestehen. Es ist offenkundig, dass dem Adel das Wohlergehen des Königs nicht am Herzen liegt, es wäre also dumm, wenn der König weiterhin die Interessen des Adels verteidigt. Er muss die Generalstände einberufen und dem Dritten Stand wirkliche Macht einräumen – nicht nur Diskussion, nicht nur Beratung, sondern die Macht, etwas zu bewirken.«
»Das glaube ich erst, wenn ich es sehe«, sagte Charpentier.
»Dazu wird es niemals kommen«, sagte Perrin. »Was mich viel mehr interessiert, ist Lafayettes Vorschlag, Ermittlungen wegen Steuerbetrugs anzustellen.«
»Und wegen anrüchiger Spekulation«, sagte d’Anton. »Die üblen Machenschaften auf dem Markt schlechthin.«
»Immer diese Vehemenz«, sagte Perrin, »bei Leuten, die selbst keine Wertpapiere
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