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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Aber es wäre ein großer Zufall, wenn das die Frau wäre, mit der ich auch verheiratet bin. »
    »Und was ist mit deinen Eltern? Wie sind die?«
    »Die wechseln offenbar kein Wort mehr miteinander. Noch so eine Familientradition: jemanden zu heiraten und dann festzustellen, dass man ihn nicht leiden kann. Mein Vetter Antoine, einer von den Fouquier-Tinvilles, hat seine Frau angeblich ermordet.«
    »Was? Und ist er verurteilt worden?«
    »Nur von den Klatschmäulern, die über ihn Gericht gehalten haben. Es gab nicht genügend Beweismaterial, um einen Prozess anzustrengen. Was wenig überraschend ist, denn Antoine ist selbst Rechtsanwalt. Er ist vermutlich gut darin, Beweismaterial zu manipulieren. Diese Geschichte hat die Familie in den Grundfesten erschüttert, deshalb war er für mich« – er hielt wehmütig inne – »immer eine Art Held. Für mich ist jeder ein Held, der bei den de Viefvilles Anstoß erregt. Antoine Saint-Just ist auch so jemand. Wir sind verwandt, allerdings weiß ich nicht genau, wie; die Familie lebt in Noyon. Er ist kürzlich mit dem Familiensilber durchgebrannt, und seine Mutter, eine Witwe, hat sich doch tatsächlich einen lettre de cachet ausstellen und ihn einsperren lassen. Wenn er wieder rauskommt – irgendwann werden sie ihn wohl freilassen müssen –, wird er eine Mordswut haben; er wird ihnen das nie verzeihen. Er ist ein großer, kräftiger Bursche, arrogant und unglaublich eingebildet – wahrscheinlich schmiedet er im Moment gerade wutschäumend Rachepläne. Er ist erst neunzehn, vielleicht schlägt er ja eine Verbrecherlaufbahn ein, dann werden nicht mehr alle auf mich schauen.«
    »Du solltest ihm schreiben und ihn ein bisschen ermuntern.«
    »Ja, vielleicht mache ich das. Weißt du, ich finde ja selbst auch, dass ich nicht so weitermachen kann. Ich habe ein paar Gedichte veröffentlicht, nichts Besonderes, aber es ist ein bescheidener Anfang. Schreiben würde ich am allerliebsten – wie du dir denken kannst, ist es mit meiner Einschränkung eine Wohltat, nicht reden zu müssen. Ich möchte einfach irgendwo ruhig und ungestört leben – am liebsten irgendwo, wo es warm ist –, und zusehen, dass ich etwas Ordentliches zu Papier bringe.«
    Aber das nahm ihm d’Anton schon jetzt nicht mehr ab. Er erkannte es als eine Art Dementi, das Camille von Zeit zu Zeit abgab, um darüber hinwegzutäuschen, dass er ein eingefleischter Unruhestifter war. »Gibt es denn nicht auch irgendjemand Ehrbaren, den du magst?«
    »O doch – ich mag meinen Freund Robespierre, aber der lebt in Arras, deswegen sehe ich ihn nie. Und Maître Perrin ist auch sehr nett zu mir.«
    D’Anton starrte ihn an. Es war ihm unbegreiflich, wie Camille dasitzen und sagen konnte: Maître Perrin ist sehr nett zu mir.
    »Macht dir das denn nichts aus?«, fragte er.
    »Was die Leute sagen? Nun«, sagte Camille sanft, »ich würde mir natürlich wünschen, nicht Gegenstand allseitiger Abscheu zu sein, aber ich würde nicht so weit gehen, diesen Wunsch mein Verhalten beeinflussen zu lassen.«
    »Ich wüsste einfach gern«, sagte d’Anton, »also, von meiner Warte aus, ob an den Gerüchten was dran ist.«
    »Ach so, du meinst, weil in einer Stunde die Sonne aufgeht und du befürchtest, ich könnte ins Gericht laufen und überall herumerzählen, dass ich die Nacht mit dir verbracht habe?«
    »Jemand hat mir erzählt … also, neben einigen anderen Dingen … dass du ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau hast.«
    »Ja, in gewisser Weise schon.«
    »Du hast wirklich eine interessante Bandbreite an Problemen.«
    Es war vier Uhr morgens, und er hatte das Gefühl, bereits zu viel über Camille zu wissen – mehr, als ihm lieb war. Er betrachtete ihn durch einen Nebel aus Alkohol und Müdigkeit – der Blick der kommenden Jahre.
    »Ich würde dir ja mehr über Annette Duplessis erzählen«, sagte Camille, »aber das Leben ist einfach zu kurz.«
    »Ist es das?« Darüber hatte d’Anton noch nie nachgedacht. Ihm kam es manchmal lang vor, während er seiner Zukunft entgegenkroch, lang genug.
    Im Juli 1786 gebar die Königin ein Kind. »Alles schön und gut«, sagte Angélique Charpentier, »aber ich vermute mal stark, dass sie zur Entschädigung für ihre ruinierte Figur ein paar neue Diamanten brauchen wird.«
    Ihr Mann sagte: »Woran würden wir denn merken, dass ihre Figur ruiniert ist? Wir sehen sie doch nie, hierher kommt sie ja nicht. Sie hat etwas gegen Paris.« Er fand das bedauerlich. »Ich glaube, sie traut

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