Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety
darüber, wie wir auf die Forderung, Zeugen anzuhören, reagieren sollen, da uns das geltende Recht keine rechtmäßige Ablehnung dieses Ansinnens ermöglicht.
IN DEN TUILERIEN : Robespierres nervöse Finger trommeln auf die Tischplatte. Die Lage gefällt ihm nicht. »Gehen Sie«, sagt er zu Laflotte, dem Informanten.
Sobald sich die Tür hinter ihm geschlossen hat, sagt Saint-Just: »Ich glaube, das wird funktionieren.« Robespierre starrt auf Fouquiers Brief hinunter, doch seine Augen erfassen ihn nicht. Dann spricht Saint-Just weiter, und als Robespierre den Eifer in seiner Stimme hört, blickt er alarmiert auf. »Ich werde zum Konvent gehen und berichten, dass eine gefährliche Verschwörung vereitelt worden ist.«
»Glaubst du das denn?«
»Was?«
»Dass es eine gefährliche Verschwörung gab. Also, ich verstehe diese Sache mit Lucile nicht. Wird im Gefängnis davon gesprochen? Stimmt es? Oder hat Laflotte es sich ausgedacht, während er hier hochgekommen ist? Oder … hast du ihm in den Mund gelegt, was du hören wolltest?«
»Informanten erzählen einem immer das, was man hören will«, sagt Saint-Just ungeduldig. »Hör zu, es wird funktionieren. Es ist genau das, was wir brauchen.«
»Aber stimmt es?« Robespierre lässt nicht locker.
»Das werden wir herausfinden, wenn wir sie vor Gericht stellen. Aber erst einmal zwingen uns die Umstände zu handeln. Für mich klingt das Ganze plausibel, das muss ich schon sagen. Seit dem Morgen der Verhaftungen ist sie in der Stadt unterwegs, als hätte sie etwas am Köcheln. Sie ist schließlich nicht dumm, oder? Außerdem ist Dillon ihr Geliebter.«
»Nein.«
»Nein?«
»Sie hat keine Geliebten.«
Saint-Just lacht. »Die Frau ist berüchtigt.«
»Das sind haltlose Gerüchte.«
»Aber alle reden davon.« Derselbe überschwängliche Ton. »Als sie an der Place des Piques wohnten, hat sie schamlos als Dantons Mätresse gelebt. Und sie hatte etwas mit Hérault, das wissen alle.«
»Das meinen alle zu wissen.«
»Ach, du siehst doch nur, was du sehen willst, Robespierre.«
»Sie hat keine Geliebten.«
»Und was ist dann mit Dillon?«
»Er ist ein enger Freund von Camille.«
»Also gut, dann ist Dillon sein Geliebter. Mir ist das alles egal.«
»Mein Gott«, sagt Robespierre. »Du gehst entschieden zu weit.«
»Es gilt der Republik zu dienen«, sagt Saint-Just voller Leidenschaft. »Diese schäbigen privaten Affären interessieren mich nicht. Ich möchte einfach dem Tribunal die nötigen Mittel an die Hand geben, um diese Männer zu erledigen.«
»Jetzt hör mir mal zu«, sagte Robespierre. »Da wir diesen Weg nun einmal eingeschlagen haben, müssen wir ihn bis zum Ende weitergehen, denn wenn wir zaudern, werden sie die Gelegenheit beim Schopf ergreifen und uns dahin befördern, wo sie jetzt sind. Um es in deiner eleganten Formulierung auszudrücken: Ja, wir müssen sie erledigen. Ich werde dir freie Hand lassen, aber ich muss dich dafür nicht lieben.« Er richtete seinen kalten Blick auf Saint-Just. »Also gut, geh zum Konvent. Sag ihnen, dass du über den Informanten Laflotte von einer Verschwörung im Gefängnis erfahren hast. Dass Lucile Desmoulins mit der finanziellen Unterstützung von … von feindlichen Mächten … mit General Dillon konspiriert hat, um die Gefangenen im Luxembourg zu befreien, einen bewaffneten Aufstand vor dem Konvent anzuzetteln und dem Ausschuss den Todesstoß zu versetzen. Dann fordere den Konvent auf, einen Erlass herauszugeben, mit dessen Hilfe die Angeklagten zum Schweigen gebracht werden können und das Verfahren entweder heute noch oder morgen früh beendet werden kann.«
»Ich habe hier einen Haftbefehl für Lucile Desmoulins. Die ganze Sache würde an Überzeugungskraft gewinnen, wenn du ihn unterschreiben würdest.«
Robespierre greift nach seinem Federhalter und setzt seine Unterschrift auf das Dokument, ohne hinzusehen. »Es spielt ja keine Rolle«, sagte er. »Sie wird eh nicht weiterleben wollen. Saint-Just?« Der junge Mann wendet sich ihm zu, sieht ihn hinter seinem Schreibtisch sitzen, bleich, gedrungen, beherrscht, die gefalteten Hände vor sich. »Wenn das alles vorbei und Camille tot ist, möchte ich nicht deinen Nekrolog auf ihn hören. Niemand darf je wieder von ihm sprechen, das verbiete ich. Wenn er tot ist, will ich allein an ihn denken, nur für mich.«
Die Aussage von Fabricius Pâris, Protokollführer des Revolutionstribunals, bei der Gerichtsverhandlung gegen Antoine Fouquier-Tinville,
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