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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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sah von seinen Akten auf. »Ja, Billaud, warum verschwenden Sie Ihre Zeit damit, Sachen zu schreiben, die niemals veröffentlicht werden können? Ich frage das nicht, um Sie zu ärgern – es interessiert mich einfach.«
    Auf Billauds Gesicht erschienen rote Flecken. »Weil ich keine Kompromisse eingehe.«
    »Herrgott noch mal«, sagte d’Anton. »Wäre es nicht schlauer – nein, das hatten wir schon zu oft. Vielleicht solltest du dich auch mal als Pamphletist versuchen, Camille. Prosa statt Lyrik.«
    »Seine Schrift nennt sich ›Ein letzter Schlag gegen Vorurteil und Aberglauben‹«, sagte Camille. »Fragt sich, ob es wirklich der letzte ist. Da es ja ungefähr so ein Erfolg werden dürfte wie diese ganzen grässlichen Stücke, die er schreibt.«
    »An dem Tag, an dem Sie –«, begann Billaud.
    D’Anton schnitt ihm das Wort ab. »Ruhe, ja?« Er streckte ihm die Schriftsätze hin. »Was ist das für ein Unsinn?«
    »Wollen Sie mir mein Handwerk erklären, Maître d’Anton?«
    »Da Sie es ja offensichtlich nicht beherrschen …« Er warf die Papiere auf den Tisch. »Wie geht’s deiner Cousine Rose-Fleur, Camille? Nein, sag’s mir nicht jetzt, ich stecke bis hierhin in Arbeit.« Er zeigte Kinnhöhe an.
    »Ist es eigentlich schwierig, seriös zu sein?«, wollte Camille von ihm wissen. »Ich meine, ist es sehr aufreibend?«
    »Oh, dieses Gehabe von Ihnen, Maître Desmoulins«, sagte Billaud. »Es macht mich ganz krank, Jahr um Jahr um Jahr.«
    »Sie machen mich auch krank, Sie … lebender Leichnam. Irgendein Ventil für Ihre Talente muss es doch geben, wenn die Juristerei nicht ausreicht. In Grüften stöhnen, das könnte zu Ihnen passen. Und Leute, die Freudentänze auf Gräbern aufführen, braucht man immer.«
    Damit ging Camille. »Was könnte ein Ventil für seine Talente sein?«, fragte Jules Paré. »Man ist zu höflich, um darüber zu spekulieren.«
    Im Théâtre des Variétés sagte der Portier zu Camille: »Sie kommen zu spät, mein Guter.« Camille verstand nicht, warum. Im Vorraum stritten zwei Männer über Politik, der eine wünschte alle Adligen zur Hölle. Er war ein kleiner Dicker ohne einen sichtbaren Knochen im Körper, der Typ Mensch, der – zu gewöhnlichen Zeiten – mit Zähnen und Klauen den Status quo verteidigt. »Hébert, Hébert«, sagte sein Gegner friedfertig, »du wirst noch gehängt, Hébert.« Sieh an, dachte Camille, Aufruhr in der Luft. »Beeilen Sie sich«, sagte der Portier. »Er ist in Mörderlaune. Er wird Sie in Stücke reißen.«
    Im Inneren des Theaters herrschte ein feindseliges, verhangenes Dunkel. Ein paar trübsinnige Tänzerinnen hüpften herum und versuchten sich warmzuhalten. Philippe Fabre d’Églantine stand vor der Bühne und der Sängerin, die gerade probegesungen hatte. »Ich glaube, du brauchst einen Urlaub, Anne«, sagte er. »Tut mir leid, Herzchen, nichts zu machen. Womit hast du deine Kehle malträtiert? Rauchst du seit neuestem Pfeife?«
    Das Mädchen verschränkte die Arme vor der Brust. Sie schien den Tränen nah zu sein.
    »Dann steck mich in den Chor, Fabre«, sagte sie. »Bitte.«
    »Tut mir leid. Geht nicht. Du krächzt, als hättest du Rauchvergiftung.«
    »Kein bisschen leid tut es dir«, sagte das Mädchen. »Mistkerl.«
    Camille ging zu Fabre und raunte ihm ins Ohr: »Haben Sie eine Frau?«
    Fabre zuckte zusammen, fuhr herum. »Was, ich?«, sagte er. »Im Leben nicht.«
    »Im Leben nicht«, wiederholte Camille beeindruckt.
    »Gut, wie man’s nimmt«, sagte Fabre.
    »Nicht dass ich Sie erpressen wollte.«
    »Na gut, na gut, dann habe ich eben eine. Sie ist … auf Tournee. Hör zu, noch eine halbe Stunde, ja? Ich mache, so schnell ich kann. Wie ich diese Auftragsstücke hasse, Camille. Sie zerstören mein Genie. Sie vergeuden meine kostbare Zeit.« Er schwenkte den Arm in Richtung der Bühne, der Tänzerinnen, des Inspizienten, der streng aus seiner Loge schaute. »Womit habe ich das verdient?«
    »Alle sind heute Morgen schlechter Laune. Vorn an der Kasse zanken sie sich um die Zusammensetzung der Generalstände.«
    »Ja, René Hébert, was für ein Streithahn. Dabei ärgert ihn in Wahrheit nur, dass seine triumphale Bestimmung sich darin erschöpft, bei uns am Rücknahmeschalter zu sitzen.«
    »Ich habe vorhin Billaud getroffen. Der mault auch herum.«
    »Hör mir bloß mit diesem Schwachkopf auf«, sagte Fabre. »Versucht den Schriftstellern die Butter vom Brot zu stehlen. Er hat einen Beruf, warum bleibt er nicht einfach dabei? Bei dir

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