Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety
der Reihe. Die Mühlen der Justiz mahlen derzeit im Schneckentempo.«
»Wir haben gehört«, sagte Gabrielle, »dass du in die Regierung sollst.«
»Ja, aber denkt euch nichts, ich habe abgelehnt.«
»Ich wusste es!«, rief Camille.
Angélique sah Gabrielle an. »Ich muss gehen.«
»Ich bringe dich zur Tür«, sagte Gabrielle sehr förmlich. Ihre Wangen brannten. Sie stand auf, beide gingen hinaus und tuschelten im Flur.
»Angélique wird ihr schon den Kopf zurechtsetzen«, sagte d’Anton. Camille saß breit lächelnd da. »Du bist leicht zufriedenzustellen«, sagte er; dann, zu seiner Frau gewandt: »Komm wieder her, beruhige dich, schließ die Tür. Bitte versuch zu verstehen, dass ich nicht unbedacht handle.«
»Als er«, sie zeigte auf Camille, »gesagt hat, du hättest abgelehnt, hab ich ihn gefragt, ob er mich für dumm verkaufen will.«
»Diese Regierung hält kein Jahr durch. Sie taugt mir nicht, Gabrielle.«
Sie starrte ihn an. »Was hast du also vor? Deine Kanzlei an den Nagel hängen, weil dir die Rechtsprechung nicht taugt? Früher hattest du Ehrgeiz, du hast immer gesagt –«
»Ja, und jetzt hat er noch größeren Ehrgeiz«, fiel Camille ihr ins Wort. »Er ist viel zu schade für einen unbedeutenden Posten unter Barentin. Wahrscheinlich – oh, wahrscheinlich wird er eines Tages das Siegel mit eigener Hand vergeben.«
D’Anton lachte. »Sollte es dazu je kommen«, sagte er, »dann gebe ich es dir, versprochen.«
»So was ist doch Verrat«, sagte Gabrielle. Ihre Frisur zeigte erste Auflösungserscheinungen, wie immer, wenn sie sich aufregte.
»Das tut nichts zur Sache«, sagte Camille. »Georges-Jacques ist zu Großem bestimmt, egal, welche Hindernisse ihm in den Weg gelegt werden.«
»Ihr seid verrückt«, sagte Gabrielle. Sie schüttelte den Kopf. Ein Schauer von Haarnadeln prickelte auf den Boden. »Ich kann es nicht sehen, Georges, wenn du die Meinung anderer Leute nachbetest.«
»Ich? Findest du, dass ich das tue?«
»Nein«, versicherte Camille eilig, »das tut er nie.«
»Er hört auf Sie, und auf mich hört er in keiner Weise.«
»Das kommt daher …« Camille brach ab. Ihm fiel keine taktvolle Begründung ein. Er wandte sich an d’Anton. »Kann ich dich heute Abend ins Café du Foy entführen? Man erwartet vielleicht eine kurze Ansprache von dir, da hast du doch nichts dagegen – nein, natürlich nicht.«
Gabrielle sah vom Boden auf, Haarnadeln in den Händen. »Diese Sache macht eine Art Held aus dir, verstehe ich das richtig?«
»Held ist vielleicht etwas hochgegriffen.« Camille blickte bescheiden. »Aber es ist ein Anfang.«
»Würde dir das etwas ausmachen?«, fragte d’Anton sie. »Ich bleibe auch nicht lange. Wenn ich heimkomme, erkläre ich dir alles noch einmal in Ruhe. Gabrielle, lass die doch liegen, Catherine kann sie aufheben.«
Gabrielle schüttelte wieder den Kopf. Gar nichts würde er ihr erklären, und wenn sie Catherine auf dem Boden herumkriechen und Haarnadeln auflesen ließ, kündigte das Mädchen vermutlich – warum war ihm das nicht selber klar?
Die beiden Männer stiegen die Treppe hinunter. Camille sagte: »Ich fürchte, meine bloße Existenz stört Gabrielle. Selbst wenn meine verzweifelte Verlobte bei ihr vor der Tür steht, glaubt sie noch, dass ich dich zu mir ins Bett zu locken versuche.«
»Versuchst du das denn nicht?«
»Zeit, an Höheres zu denken«, sagte Camille. »Oh, ich bin so froh. Alle sagen, es gärt, alle sagen, der Umsturz steht vor der Tür. Sie reden davon, aber du, du glaubst auch daran. Du handelst danach. Und zwar so, dass jeder es sehen kann.«
»Es gab einmal einen Papst – ich weiß nicht mehr, welcher es war –, der überall erzählte, das Ende der Welt stünde bevor. Alle versuchten ihre Güter loszuschlagen, und der Papst kaufte sie und wurde steinreich.«
»Hübsche Geschichte«, sagte Camille. »Du bist zwar kein Papst, aber egal, ich bin sicher, du bringst es auch noch zu was.«
Sobald in Arras bekannt wurde, dass es Wahlen geben sollte, begann Maximilien seine Angelegenheiten zu ordnen. »Woher weißt du, dass du gewählt wirst?«, fragte sein Bruder Augustin. »Sie könnten eine Intrige gegen dich anzetteln. Das ist sogar sehr wahrscheinlich.«
»Dann muss ich mich bis zu den Wahlen eben bedeckt halten«, sagte er grimmig. »Hier in der Provinz hat jeder eine Stimme, nicht nur die Reichen.« Weshalb es ihnen auch nicht gelingen würde, ihn auszuschließen.
Seine Schwester Charlotte sagte: »Sie
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