Brüder und Schwestern
und doch stimmt es.
Ich freue mich so, Trinchen! Ich freue mich riesig, daß Du in Matti verliebt bist und Dir wünschst, mit ihm zusammenzukommen. Und es wurde auch Zeit, daß Du es mir offenbarst und wir offen darüber reden. Gerade darüber haben wir nie geredet, Trinchen. Und es gibt doch eigentlich nichts Wichtigeres als so einen Wunsch und so eine Sehnsucht. Ich verstehe natürlich Dein langes Schweigen mir gegenüber, ich verstehe Deine Vorbehalte. In Deinen Augen bin ich ein Teil von ihm. Du vermutest, er stünde mir im Zweifelsfall noch näher als Du. Und mit dieser Vermutung, da will ich gar nicht groß herumreden, hast Du natürlich vollkommen recht. Wie sollte es auch anders sein? Er ist mein Bruder, und wenn es irgendwann hart auf hart kommt, werde ich bedingungslos für ihn eintreten, so wie ich weiß, daß er es umgekehrt genauso tun wird. Aber was Dich betrifft, Trinchen, da gibt es diesen Zweifelsfall doch nicht. Mit Deiner zweiten Vermutung liegst Du so falsch, wie man nur falsch liegen kann. Du bist doch meine beste und immerste Freundin! Ja, meine immerste! Armes, dummes Trinchen, warum sollte ich nicht gut finden, daß Du Dich in Matti verknallt hast? Warum sollte ich was dagegen haben? Ich bin sogar sehr dafür! Ich kenne Euch doch beide, und ich weiß, wie gut Ihr zueinander paßt. Glaube mir, nichts würde ich lieber sehen, nichts. Ich wäre glücklich, wenn Ihr zusammenkämt. Ich wünsche es mir genauso wie Du. Ich gäbe Euch sofort meinen Segen. Wenn Du mich gerade sehen könntest: Ich schwenke wie ein Priester meinen Arm.
Aber Trinchen, reise jetzt nicht her, überstürze nichts, komm meinetwegen, wenn Matti wieder weg ist, aber solange er hier ist, bleib bitte, bitte daheim. Zur Zeit ist es nämlich äußerst schwer mit ihm, aus einem bestimmten Grund. Ich zögere, ihn Dir zu nennen, denn ich weiß, ich füge Dir Schmerz zu, wenn ich es tue, und das will ich unter keinen Umständen. Und doch muß es sein. Ich muß Dich vor falschen Erwartungen schützen. Also schonungslos und in einem Zug: Auch er hat sich verliebt, Trinchen, aber leider nicht in Dich. Und die Frau, in die er sich verliebt hat, von der ist er fortgeschickt worden, nachdem sie kurz zusammengewesen sind, und er versteht’s nicht. Es muß überwältigend gewesen sein mit ihr, für ihn. Und für sie war’s auch sehr schön. Sagt er. Ich gebe nur wieder, was er mir erzählt hat. Jedenfalls ist sie weg, sie ist schon noch in Gerberstedt, aber für Matti ist sie weg, nicht mehr greifbar, und er, er ist deswegen völlig am Boden. Er sagt, so einer Frau begegnet er nie wieder, allen Ernstes sagt er so was, stell Dir vor. Was für ein Blödsinn! Du begegnest natürlich immer wieder jemandem. Es gibt doch nicht nur den einen. Du kannst Dich tausendmal verlieben. Diese Worte gerade auch in Deine Gehörgänge, Trinchen, denn noch einmal, Matti ist für Mädchen absolut nicht zu erreichen, jedenfalls im Moment nicht. Kein Anschluß unter dieser Nummer. Weil er nämlich vollauf damit beschäftigt ist, dieser Frau, dieser ach so anbetungswürdigen Dame hinterherzutrauern. Ich frage mich, warum die ihn sich überhaupt gegriffen hat. Ihn erst vernaschen, und wenn sie den Mund noch voll hat, schon nichts mehr von ihm wissen wollen. Wie ich sie hasse, Trinchen! Sie hat nur mit ihm gespielt, so wie sie mit jedem spielt, die bildet sich sonstwas ein auf ihre Schönheit, das ist ganz offensichtlich, und daher hätte ich ihn schon gewarnt, wenn ich nur rechtzeitig von der Sache erfahren hätte – aber jetzt habe ich schon viel zuviel über sie erzählt. Alles ist aus mir herausgebrochen, und nur, weil Du’s bist. Nichts kann ich vor Dir geheimhalten. Du weißt nun sogar, daß sie mir bekannt ist. Und doch darf ich Dir nicht sagen, um wen es sich namentlich handelt, das habe ich Matti hoch und heilig versprochen. Und es nützt Dir ja auch nichts, wenn Du es wüßtest. Es muß Dir egal sein. Versuche, das alles schnell zu vergessen und Dich Neuem zuzuwenden, denn nur durch das Tor, das nicht verschlossen ist, können die Menschen eintreten – sagt Dir Deine neunmalkluge Freundin Britta.
P. S. Ich möchte Dich so gern noch ein wenig aufheitern, denn ich spüre, daß Du jetzt traurig bist. Also erzähle ich Dir in aller Kürze das Aktuellste vom Direktor Devantier. Er ist manchmal sehr lustig, mußt Du wissen, sogar in seiner Wut, wenngleich er das selber bestimmt gar nicht merkt. Heute hat er Marty, unseren Jongleur, der seit ein paar
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