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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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Geschäftchen. Gewiß, ein Geschäftchen, nicht mehr und nicht weniger. Herr Aziz bringt die Amulette, Herr Jagielka vertreibt sie …«
    »Und …«, wollte ihm Marieluise abermals in die Parade fahren, aber er setzte schnell fort, »… und davon haben wir alle was. Sie werden sich vielleicht fragen, was soll der Herr Aziz denn kriegen außer Aluchips, aber da kann ich Ihnen versichern …«
    »Jetzt reicht es«, erklärte Marieluise mit leiser Schärfe. »Sie brauchen mir gar nichts mehr zu versichern, ich will mit Ihren … Ihren Geschäftchen nichts zu tun haben und mit Ihnen … Ihnen als Person auch nicht, Herr Jagielka, so!«
    Heiner Jagielka aber wußte, wann und wie er zurückzurudern hatte. Warum auch unnötige Feindschaft aufbauen? »Ein Wort noch, gnädige Frau, ein kleines Wort. Es lag mir wirklich fern, Sie in Ihrer Seele zu verletzen. Wenn das dennoch geschehen sein sollte, so bitte ich Sie sehr, es zu entschuldigen. Die Ideen«, er griff sich plötzlich an den Kopf, als schmerze der fürchterlich, »meine Verrücktheiten, ach, was soll ich machen, was soll ich bloß machen …«
    Marieluise verzog den Mund; und sicher hätten sie und Jagielka ihrer Unterhaltung noch eine Weile stumm nachgehangen, wenn da nicht ein massiger, in einen langen Lodenmantel gehüllter Mann am Eingang des Gewölbes erschienen wäre, der Willy Werchow wie aus dem Gesicht geschnitten war.
    *
    Willy, in dessen Rücken der Ankömmling stand, begriff es als Letzter, begriff es auch nur, weil plötzlich alle in seine Richtung blickten. Er drehte sich um – und das war Bernhard! Das war sein Bruder! Mit dem hatte er überhaupt nicht mehr gerechnet. Den hatte er schon abgeschrieben. Und jetzt, da der doch noch eingetroffen war, spürte er eine größere Enttäuschung als zuvor: Der war ja verspätet hoch drei. Der hatte das Begräbnis ihres Vaters verpaßt. Daß Bernhard jetzt hier noch auftauchte, nach der Zeremonie, erschien Willy sogar schlimmer, als wenn er gar nicht mehr aufgetaucht wäre. Zornig schaute Willy ihn an.
    Zeigte der Saumselige die angemessene Demut? Übte er sich in Buße? Legte er irgendein Bekenntnis seiner Schuld ab? Nichts. Vielleicht, wer weiß, hätte er es getan – wenn er von Willy nicht vor aller Augen abgestraft worden wäre. So aber hieb er seinem Bruder wortlos und mit entschlossenem Gesichtsausdruck auf die Schulter, drückte Ruth einen Kuß auf die Wange, klopfte auf den Tisch, um die anderen zu begrüßen, und sagte so laut, daß jeder es verstehen konnte: »Willy, das glaubst du nicht, was mir an der Zonengrenze passiert ist, weil das geht auf keine Kuhhaut! Daß man sich so was gefallen lassen muß.«
    Herbert Rabe stutzte, er mit seinem wachsamen Ohr ahnte, die Stimme des Klassenfeindes zu vernehmen, direkt hier war sie ertönt.
    »Leg erstmal ab«, schlug Willy vor.
    Bernhard schälte sich aus seinem schweren Mantel, aber er war nun in Fahrt, er wollte alles loswerden, was ihm geschehen war, und schon dröhnte seine Stimme von neuem durchs Gewölbe: »In aller Herrgottsfrüh bin ich daheim los, es war noch nicht einmal um drei, denn ich hab mir schon gedacht, daß man sich auf einiges gefaßt machen muß – aber das, ich muß schon sagen, das kann sich kein Mensch vorstellen. Die brauchen eine halbe Stunde, um meine Papiere zu kontrollieren, damit geht’s schonmal los, und wie ich mich beschwer, sagt einer: Se müssn schon ä wähnsch Geduld in Ihrm Gebägge mitführn, Herr Werrschoh, je ungedultscher Se werrn, um so längor dauorts …«
    Jonas und Britta lachten, Matti schmunzelte, Erik blieb ernst – was Bernhard aber alles nicht wahrnahm, ließ er doch, noch immer stehend, seine Wortkaskaden weiter auf die Runde herabstürzen: »Ich sage, ich will auf eine Beerdigung, auf die Beerdigung meines Vaters meines eigenen will ich, und ich will nicht zu spät kommen, verstehen Sie. Aber das scheint die Strolche überhaupt nicht zu interessieren. Ich soll meinen BMW ausräumen. Ich hab ja nicht viel Gepäck, ich denk, da sind sie schnell mit durch. Aber kruzifix, nochmal zwei Stunden hat’s gedauert, und wißt ihr warum? Wegen einer Ananas! Aufstechen tun sie die, ich werd nicht wieder, als sie in der rumfuhrwerken, ich frag, was soll denn das? – Nu, Herr Werrschoh, s hat schon Bürscher Ihres Landes gegähm, die dachden, sewährn ganz gluuch, wennse irschendwelche Hetzschrifden innor ausgehöhlden Ananas debboniern. – Ich sage, das ist doch verrückt, ich habe keine Hetzschriften, ich

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