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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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existiere es nicht. Aber es existiert, es ist im Umlauf, und weil das so ist, stehe ich jetzt hier. Die Belegschaft sieht nicht ein, warum sie auf ihren Anteil verzichten sollte.«
    Da platzte es aus Willy heraus: »So, ihr wollt einen Anteil, und ich soll ihn euch beschaffen, einfach so, Hokuspokus Fidibus, da ist er!« Er fuchtelte mit den Händen, spritzte, ohne es zu bemerken, heißes Wasser auf Dietrich Kluge. »Nehmen wir mal an, ich wäre damit einverstanden, warum auch nicht, warum auch nicht. Jawohl, ihr sollt euren Anteil kriegen, ich bin einverstanden. Dann ergibt sich nur noch eine kleine, eine klitzekleine Frage, und diese Frage lautet: Wie, bitteschön, soll ich ihn euch beschaffen? Sag es mir, hilf mir mal weiter! Ja, ich bringe dir sogar eigenhändig das Geld, wenn du mir sagst, wo ich es hernehmen soll. … Na, ich höre!«
    Pause. Wassergedröhn.
    »Ich weiß nicht, wie die Kanäle verlaufen«, antwortete Dietrich Kluge schließlich. »Das kann ich gar nicht wissen. Du bist jede zweite Woche in Berlin – also regle alles dort.«
    Willy lachte fassungslos. »Wie stellst du dir das vor? Als ob ich dort einfach sagen könnte, hört mal, meine Leute haben da eine großartige Idee, sie wollen von jetzt an Valuta, und ich, ich habe hier auch gleich eine Tasche, schwuppdiwupp, steckt mir was rein. So funktioniert es doch nicht, das System.«
    »Ach, und wie funktioniert es dann?« fragte Dietrich Kluge. Er hörte sich so sarkastisch an wie am Morgen.
    »Alles ist viel komplizierter und viel …« Willy verstummte, schaute mit einemmal hilflos.
    Dietrich Kluge aber fühlte in diesem Moment unter seiner Dusche etwas, wovor er sich schon die ganze Zeit gefürchtet hatte, ein Aufweichen von innen heraus. Er wußte ja genau, daß er Willy in die Bredouille brachte, und ihm schoß ein Bild herauf, auf dem sie beide auch schon von Wasser umgeben waren, sie bekamen es, auf dem Marktplatz in einer Bütte sitzend, Schwall um Schwall über Kopf und Kleidung gekippt, Gautschwasser, die Stunde, da sie ihre Lehre beendeten. Und wieviel hatten sie seitdem zusammen erlebt und gesehen! Feiern. Sportfeste. Maschineneinweihungen. Unfälle auch. Oder all die gemeinsam verbrachten Schwimmstunden. Aber durfte er jetzt sentimental werden? Er sprach doch nicht nur für sich, sprach vielleicht sogar am wenigsten für sich, er sagte so förmlich wie zu Beginn ihrer Unterredung: »Mag auch alles kompliziert sein. Die Belegschaft erbittet, um es in Zahlen zu fassen, ein Fünftel ihres Gehalts in D-Mark, und zwar so lange, wie sie für ›Westenend‹ produziert. Und sie möchte eine entsprechende Zusage in spätestens drei Tagen.«
    Willy stöhnte. »Das ist unmöglich! Ihr wißt ja nicht, was ihr da fordert!«
    Dietrich Kluge schwieg.
    »Ihr werdet diese Zusage nicht kriegen«, bekräftigte Willy, »und was dann?«
    »Das wird von uns gegebenenfalls noch beratschlagt werden.« Kluge wandte sich zur Seite und stellte mit heftigen, ruckartigen Handgriffen das Wasser ab. Willy flüchtig zunickend, verließ er den Duschraum.
    *
    Zu Hause überlegte Willy fieberhaft, was zu tun sei. Der nächste Tag war ein Dienstag, er könnte also wie üblich und wie bislang geplant nach Berlin fahren und könnte mit Zeiller unter vier Augen über das Problem reden. Wenn er aber führe, fehlte er im »Aufbruch«, und das, so ahnte er, wäre fatal. Wer weiß, was sich in seiner Abwesenheit ereignen würde. Nein, er sollte jetzt besser hierbleiben, es mußte genügen, wenn er mit Zeiller telefonierte. Aber was sollte er ihm eigentlich sagen? Wenn er das Problem zur Sprache brächte, würde da nicht alles gleich auf ihn zurückfallen? Vor wenigen Wochen erst hatte er darüber gemurrt, daß er nichts von den Devisen sah, die er erwirtschaftete, und jetzt, jetzt murrten seine Arbeiter, das war eine unglückselige Entwicklung. Zeiller würde zwangsläufig ihn dafür verantwortlich machen, würde erklären, das Faß sei übergelaufen.
    Da er gedankenversunken in seinem Sessel saß, merkte Willy nicht, wie Ruth mehrmals ihren Kopf zur Tür hereinsteckte. Es alarmierte sie, daß er heute nicht schuldbewußt um sie herumschlich, denn wenn sie auch immer so getan hatte, als registriere sie das gar nicht, war es ihr doch nicht entgangen. Jetzt fehlte es ihr schon nach wenigen Minuten; und gleich wurde sie auch wieder von dunklen Ahnungen und Befürchtungen geplagt.
    Sie schaute abermals ins Wohnzimmer. Da Willy sich wieder nicht regte, klopfte sie demonstrativ an

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