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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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Kluge nur noch als Schemen.
    Der Schemen fuhr mit seiner konturlosen Hand durch die Luft. »Sieh an, nicht mal von den Büchern sollten wir was abbekommen!«
    »Wieso nicht mal von den Büchern? Wir produzieren nichts anderes als Bücher.«
    Wieder fuhr die Hand durch die Luft. »Das mit den Büchern ist ohne Zweifel interessant: Man wollte sie uns also herstellen, aber nicht lesen lassen. Gut. Oder schlecht – aber lassen wir die Bücher, um die geht es jetzt nicht. Worum es vielmehr geht, ist das Geld, das wir für sie kriegen beziehungsweise nicht kriegen. Wir kriegen ja keins. Wir sind aber der Überzeugung, es steht uns welches zu.«
    Willy trat aus dem Dampfnebel heraus. Sein ganzes Gesicht verriet völliges Unverständnis. »Ihr wollt eine Prämie? Aber es entspricht nicht gerade unseren Prinzipien, schon über Prämien zu reden, wenn die Arbeit kaum begonnen hat. Das Fell des Bären wird verteilt, wenn der Bär erlegt ist!«
    »Ich weiß«, entgegnete Dietrich Kluge, »nur rede ich nicht über irgendwelche Prämien. Ich rede vom Lohn, genauer gesagt von einer teilweisen Auszahlung des Lohnes in der Währung, die im Zuge unserer Produktion fließt.«
    »Das heißt, was heißt das – ihr fordert Westgeld?«
    »Richtig, wir fordern Westgeld.« Dietrich Kluge trat einen Schritt zurück, drehte das Wasser kälter und hielt seinen Kopf darunter, und wenn Willy einen Blick dafür gehabt hätte, wäre ihm klargeworden, wie es Kluge erleichterte, daß die Forderung nun ausgesprochen war.
    Willy aber rieb sich mit beiden Händen das Gesicht und stieß dumpf hervor: »Das ist nicht euer Ernst! Das kann nicht euer Ernst sein, Dietrich!«
    Kluge schwieg.
    Willy fiel nichts anderes ein als zu fragen: »Wie kommt ihr denn darauf?« Einen Moment später empfand er die Frage als töricht. Er wußte doch, daß mehr denn je eine zweite Währung im Lande kursierte und sogar herrschte, er dachte an die vollen Intershops und an die Forum-Checks, mit denen dort bezahlt wurde; wollte man jetzt einen Handwerker kriegen, konnte man schon darauf wetten, daß der fragte, »Forum geht’s«, und ließ die Antwort zu wünschen übrig, ließ sie nichts erkennen, tja, dann hatte er eben keine Zeit …
    Dietrich Kluge sagte: »Es liegt nahe, daß wir darauf kommen, und es ist legitim. Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Leistungen, heißt es in den allseits bekannten Losungen. Genau das möchten wir in die Tat umgesetzt sehen. Mit unseren Fähigkeiten und Leistungen erwirtschaften wir Westgeld, und infolgedessen halten wir es für recht und billig, teilweise in dieser Währung entlohnt zu werden. Teilweise und wegen unserer Fähigkeiten, die uns in diese Lage versetzen.« Es wirkte, als habe er sich die Argumente zuvor zurechtgelegt, es klang ein wenig steif, wie er sie vortrug; und steif stand er während seiner Rede auch da.
    »So«, rief Willy mit einem listigen Gesichtsausdruck, »da fallen mir ja nun gleich die sechs Millionen Fibeln ein, die wir jedes Jahr für die Freunde drucken – aber was mir nicht einfällt und woran ich mich überhaupt nicht erinnern kann, ist irgendeine Forderung eurerseits, dafür Rubel in die Lohntüte gesteckt zu bekommen. Obwohl’s eure Fähigkeiten sind, die uns diese Rubel, diese Transferrubel bescheren.«
    Dietrich Kluge lockerte sich augenblicklich. »Der Vergleich hinkt«, rief er, mit dem Zeigefinger durch die dampfende Luft wischend. »Erstens weiß ich genau, daß dieser Auftrag nicht in der Qualität unserer Arbeit begründet liegt, sondern einzig und allein eine Nachwirkung der Reparationszahlungen ist. In den Jahren nach dem Krieg gehörte der Druck dieser Fibeln zu den Reparationsleistungen, erst später wurde daraus ein regulärer Auftrag – und das weißt du genausogut wie ich, wir sind beide lange genug dabei. Und zweitens, Willy, zweitens haben wir nichts davon. Was könnten wir uns denn hier von Rubeln kaufen? Nichts!«
    »Na also!« sagte Willy triumphierend. »Es geht euch nur ums Kaufen und überhaupt nicht um eure Fähigkeiten und das ganze Pipapo, sei doch ehrlich.«
    Dietrich Kluge überlegte ein paar Sekunden, dann sagte er: »Natürlich geht’s der Belegschaft darum, aber dafür muß sich keiner entschuldigen, keiner. Das ist der Drang des Menschen, besser zu leben, und das propagiert jetzt auch dauernd deine Partei. Aber wie verlogen geht sie dabei vor! Einerseits versucht sie wo sie geht und steht, das richtige Geld zu raffen, und andererseits tut sie so, als

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