Brüder und Schwestern
Bekräftigen der einmal formulierten Ansprüche natürlich.
»Es bleibt dabei«, bestätigte Dietrich Kluge.
»Dann teile ich euch mit, daß diese Forderung nicht erfüllt werden kann.« Willy schaute dabei nur Kluge an und tat so, als wären die anderen Luft.
»Du hast demnach schon mit Berlin gesprochen?«
»Nein, das habe ich nicht. Das war nicht nötig.« Er spürte auf einmal Ärger aufsteigen, weil Kluge gar nicht in den Sinn zu kommen schien, daß er, Willy, vielleicht Manns genug sein könne, selber zu entscheiden, und fügte barsch hinzu: »Ich muß nicht jeden Blödsinn mit Berlin abstimmen.«
»Wie bitte – Blödsinn?« rief Silke Irmscher.
»Ruhig«, murmelte Dietrich Kluge in ihre Richtung, dann sagte er zu Willy: »Bei unserem ersten Gespräch klang das noch etwas anders. Da hattest du durchblicken lassen, nicht zu wissen, woher du das Geld nehmen sollst, und wir einigten uns, daß du die Sache in Berlin zur Sprache bringen wirst – jedenfalls habe ich das so verstanden.«
»Du irrst. Ich hatte dir schon empfohlen, alles zu vergessen.«
Ehe Dietrich Kluge antworten konnte, ergriff Michael Höft das Wort: »Ich möchte gern auf den sogenannten Blödsinn zurückkommen. Gehe ich recht in der Annahme, daß Sie auf jegliche Konsultation mit Berlin verzichtet haben, weil Sie es schlichtweg für müßig hielten, etwas zu verhandeln, das Ihnen, mit Ihren Worten, blödsinnig erscheint?«
Willy blickte das erste Mal zu ihm, las in Höfts Gesicht Klugheit sowie Abneigung. Er nickte bloß, gab sich ebenfalls keine Mühe, seine Abneigung zu verbergen. Vor allem aber spürte er seinen Ärger wachsen. Ihm widerstrebte das Verhörartige und auch das betont Gewählte, das Höft an den Tag legte, und überhaupt widerstrebte ihm, was sich gerade abspielte. Es sollte hier wohl endlos über den Beschluß diskutiert werden, den er verkündet hatte; man zog wohl seitens der Belegschaft aus der Tatsache, daß er sich nicht in seinem Büro verbarrikadierte, sondern sich jeden Morgen in der Halle zeigte und dort für jedermann zu sprechen war, die völlig falschen Schlüsse.
»Blödsinn«, wiederholte Silke Irmscher, »das ist ja wirklich die Höhe!«
»Dürfen wir Sie trotzdem noch bitten, uns darüber aufzuklären, warum Sie unsere Forderung«, Michael Höft schürzte die Lippen, »für nichtswürdig halten?«
»Nein, das dürfen Sie durchaus nicht.« Willy erhob sich abrupt, wies zur Tür und erklärte das Gespräch für beendet: »Gehen Sie jetzt wieder an die Arbeit! Es ist Ihre Arbeitszeit, in der Sie hier herumsitzen!«
Einen Moment saßen die drei starr. Dann sprang Silke Irmscher auf. Ihr Stuhl fiel um. Sie ergriff ihn mit beiden Händen, stampfte ihn auf den Boden und stürzte aus dem Zimmer. Michael Höft sah ihr nach und verabschiedete sich mit einem unheimlich langsamen Nicken von Willy. Dietrich Kluge schließlich folgte den beiden mit einem traurigen Gesichtsausdruck. Vor der Tür blieb er noch einmal stehen, drehte sich zu Willy und schaute ihn bekümmert an.
Das Gespräch hatte, wie Willy mit einem Blick auf die Uhr registrierte, keine zehn Minuten gedauert. Jetzt war es 7 Uhr 30. Er erledigte mit Dorle Perl die Post, wobei er sich etwas beruhigte. Ein Rest von Erregung aber wollte nicht verfliegen, denn Willy erinnerte sich, daß Kluge ihre Unterredung in der Dusche mit den Worten beschlossen hatte, man werde, falls man keine Einigung erziele, über das weitere Vorgehen noch beratschlagen, und dieser Fall, der war ja nun eingetreten. Wahrscheinlich, so vermutete Willy, würden sie die Frühstückspause um 9 Uhr nutzen, um sich zusammenzusetzen. Oder erst die Mittagspause? Eher die, dann würden sie mehr Zeit haben. Aber vielleicht handelte es sich auch nur um eine leere Drohung, garantiert, was für eine Drohung sollte das überhaupt sein, man konnte unten in den Hallen beratschlagen, soviel man wollte, die Sache war beendet, beendet …
Es war noch nicht Mittag, als Dorle Perl ihm einen Anruf von Ingo Altenhof durchstellte. Und sowenig Willy den Gebietsparteichef auch ausstehen konnte – jetzt erleichterte es ihn, Altenhof zu hören und niemand anderen, denn mit der Angelegenheit, die Willy noch immer beschäftigte, konnte der nichts zu tun haben. »Genosse Altenhof«, grüßte er jovial, »was gibt’s, womit kann ich helfen?«
Altenhof entgegnete dunkel: »Womit kann ich helfen, das scheint ja wohl eher die Frage zu sein.« Willy, der es gewohnt war, daß Altenhof Gespräche mit geradezu
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