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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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nie mit dem Mann. Und dann erstarb plötzlich auch der Name, und Willy zog das Tempo an, oder das Tempo tat es von selbst, und er konnte darauf wetten, daß Britta ihm wenig später mit halb gespieltem und halb aufrichtigem Bedauern offenbaren würde, sie habe wieder mal jemanden todunglücklich gemacht. Und war das etwa übertrieben? Allerdings, er ließ unter Wasser ein paar Lachblasen aus dem Mund sprudeln, bedeutete es noch lange nicht das Ende der Geschichte, im Gegenteil, jener scheinbar verlorengegangene Name tauchte, sofern er nicht Jonas lautete, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nach einer gewissen Zeit wieder auf, nur mit etwas matterem Klang, Willy blieb nur ein Staunen darüber, wie Britta es jedesmal fertigbrachte, den Todunglücklichen weiter oder wieder für sich einzunehmen und als Freund zu gewinnen. Mochte sie auch verletzen, sie tat es mit einer solchen Unschuld, daß sie selber jeder Verletzung entging, bisher jedenfalls, dachte Willy, sei er noch gar nicht am Maximum gewesen, und er legte einen Endspurt hin, der sich gewaschen hatte, im Kraulstil drei Bahnen, die er geradezu durchlöcherte mit seinen peitschenden Händen und seinen wirbelnden Füßen, das Becken wogte und schäumte, und er versäumte / nicht die Sekunde da hinauszusteigen / und sich in herrlichem Schweigen / versunken in heftigem Pumpen / unter der Dusche zu zeigen.
    Dietrich Kluge aber, Dietrich Kluge folgte ihm umgehend. Kaum stand Willy unter der Brause, erschien auch er dort und drehte unmittelbar daneben das Wasser auf. Willy nahm es erstaunt zur Kenntnis: Kluge konnte ja keine 20 Minuten geschwommen sein, viel zuwenig für seine Verhältnisse, er war doch ausdauernd und akribisch, er blieb sonst 45 Minuten im Wasser und keine Minute weniger und keine mehr.
    »Groggy?« fragte Willy. Seine Haut färbte sich rot von dem heißen Wasser, das er auf sich prasseln ließ, denn darin bestand für ihn der Gipfel der Genugtuung: jetzt lange und heiß zu duschen.
    Kluge schüttelte den Kopf. Er schloß seine Augen und stellte sich unter den Wasserstrahl.
    »Was dann? Willst du noch wohin?«
    Wieder verneinte Kluge. Er öffnete die Augen, trat halb aus dem Wasserstrahl heraus und sagte: »Ich muß mit dir reden.«
    Willy sah ihn überrascht an und drehte das Wasser noch heißer, es schien ihm ein Phänomen zu sein, daß er nach dem Schwimmen immer zu frieren begann unter der schon heißen Dusche und er die Temperatur immer weiter erhöhen mußte und doch immer mehr fror, ein wohliges hitziges Bibbern, in das er sich hineinsteigerte.
    Dietrich Kluges Augen flackerten unruhig, es war, als zwinge er sich, Willy unverwandt ins Gesicht zu sehen. »Und zwar muß ich mit dir reden nicht als Privatperson und alter Freund, sondern als Beauftragter der gesamten Druckerschaft.« Insbesondere die letzten Worte hatte er mit fester Stimme gesprochen.
    Willy nahm seinen Ton auf und sagte nur: »Dann rede, Dietrich.« Im stillen aber fragte er sich, was diese Förmlichkeit und Festigkeit und überhaupt die Tatsache, daß Kluge ihm ja nachgelaufen war, zu bedeuten habe.
    »Die Druckerschaft«, erklärte Dietrich Kluge auf getragene Art, »ist seit heute damit beschäftigt, einen Westauftrag zu erledigen, und sie wird das selbstverständlich auf bewährte und bestmögliche Art tun. Warum betone ich das, wenn es doch eine Selbstverständlichkeit ist? Eben darum betone ich es: Die Belegschaft wird wie immer Qualität und Quantität liefern, ich wiederhole, diesmal in den Westen. Und das ist der Punkt. Inwiefern, möchte die Belegschaft wissen, könnte es sich für sie auszahlen, daß sie sich ins Zeug legt, um hohe Qualität und Quantität dorthin zu liefern?«
    »Ich verstehe nicht – es zahlt sich doch schon aus«, antwortete Willy. »Es wird von allen Büchern, die momentan und später gedruckt werden, ausreichend Exemplare geben, morgen beginnt die BGL mit dem Verteilen.«
    »Die Bücher …«, wiederholte Dietrich Kluge, und Willy schien es, als höre er eine gewisse Geringschätzung heraus.
    »Ich würde das nicht so abtun, Dietrich, ich sage dir, daß sie verteilt werden, ist sogar – eine Errungenschaft! Weil es eigentlich illegal ist! Die Bücher sollten gar nicht in eure Hände gelangen, aber diese Information gebe ich auch nur an dich weiter, sie hat niemanden sonst zu interessieren, ich will keine schlafenden Hunde wecken.« Willy drehte das Wasser noch heißer, stand in eine Dampfwolke gehüllt, sah Dietrich

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