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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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liefen dann ruhelos im Haus auf und ab, sie vermochten ihre Erregung kaum zu zügeln, sie flehten Willy immer wieder an, ihnen um Himmels willen endlich Genaueres zu berichten, denn sie seien ja nun leibhaftig anwesend, wann aber Britta erscheine, das wisse keiner, bei dem weiten Weg, den sie zurückzulegen habe vom Winterquartier ihres Zirkus. (Dieses Quartier befand sich nun schon seit einigen Jahren im Nordosten der Republik, kurz vor der Grenze zu Polen, denn Richard Devantier hatte sich in Gerberstedt, seitdem dort Ingo Altenhof das Regiment führte, nicht mehr gelitten gefühlt, unter anderem kontingentierte man ihm das Freibankfleisch derart, daß nichtmal mehr ein Rudel Hunde satt geworden wäre, geschweige denn Leonellis Raubkatzenmeute, wohingegen die Polen ihn billigst zu beliefern verstanden, so lange jedenfalls, wie er ihnen Ersatzteile für Mähdrescher, Traktoren und anderes Gerät heranschaffte, was wiederum ihm nicht schwerfiel, schließlich war er aufs engste mit diversen hiesigen landwirtschaftlichen Kooperativen verbunden, die ihm gern was Ausrangiertes überließen, da er sie im Gegenzug mit dem allergrößten Mist zuschüttete, jeden Vormittag, nachdem Britta und ein paar andere das Zeug aus Gehegen und Zwingern geforkt hatten.)
    Doch so sehr Erik und Matti auch bettelten, Willy schüttelte immer wieder stumm den Kopf. Endlich rief Matti voller Zorn, das sei ja wohl ein schlechter Witz, er stünde hier schon seit Stunden herum und wüßte noch nicht einmal, wo die tote Ruth liege und wann sie sie sehen könnten, und das zu erfahren sei doch wirklich das mindeste.
    Da schrie Willy: »Ruhe jetzt! Spinnt ihr denn beide? Ich schmeiße euch raus, wenn ihr nicht sofort Ruhe gebt!«
    Die Brüder wechselten einen überraschten Blick. Sie konnten sich nicht erinnern, wann ihr Vater sie das letzte Mal angebrüllt hatte. Aber daß er sich so vergaß, war es nicht verständlich? Ruths Tod, so meinten sie, erschüttere und überfordere ihn. Sie selber dagegen konnten angesichts der Spannung, die von den zurückgehaltenen Informationen herrührte, bislang gar keinen rechten Verlust empfinden. Mehr noch, im hintersten Winkel ihres Hirns hofften beide, Ruth sei gar nicht tot, Ruth werde auf einmal hier hereinspazieren und sagen, schön, daß wir mal wieder alle versammelt sind, kommt, ich habe das Abendbrot bereitet. Zugleich wußten beide, es würde nicht geschehen. In diesem Moment kannte, und teilte, einer die geheimsten Gedanken des anderen; doch redeten sie darum noch lange nicht miteinander, und erst recht nicht redeten sie mit einer Zunge. Sogar ihre übereinstimmende Forderung, Willy möge sich trotz Brittas Abwesenheit äußern, hatte ja jeder der zwei ausdrücklich einzeln vorgebracht, ganz so, als wäre der andere Luft; ich will es jetzt erfahren, hatte es jedesmal geheißen, nicht: wir wollen – und vielleicht war es ja gerade das gewesen, was Willy plötzlich derart in Harnisch gebracht hatte.
    Halbwegs erleichtert zeigten sich die Brüder, als Britta, da war es schon nach 20 Uhr, endlich hereinstürzte und sie in stummer Trauer umarmte. Aber die Erleichterung währte nur einen Moment. Jetzt, da die Geschwister vollzählig waren, brachen sich bei jedem von ihnen die Gefühle Bahn. Es brauchte nur ein paar Tränen Brittas, nur ein verzweifeltes Blicken, da fingen auch Erik und Matti an zu weinen. Britta weinte nun noch mehr, sie krümmte sich und ließ sich gegen die großen Jungs fallen, die sie halbwegs wieder aufrichteten und hielten; eine ganze Weile standen sie so, erst stark und dann noch schwach wankend.
    Willy traten, als er das sah, die Tränen in die Augen. Die ganze Zeit seit Ruths Tod hatte er nicht geweint, hatte vor lauter Gedanken darüber, wie er sich erklären sollte, keinen rechten Schmerz gefühlt, aber jetzt spürte er welchen. Jetzt vermißte er seine Frau. Jetzt wünschte er, sie wäre hier ganz nahe bei den Kindern, ja, dachte er, alle sind von Ruth zur Welt gebracht worden, guck doch, wie sie da stehen, wie schön das eigentlich ist, aber Ruth kann es nicht mehr erleben, Ruth ist weg, von uns ist sie weg, indem ich sehe, wie die Kinder da stehen, begreife ich es erst.
    Irgendwann lösten sich die Geschwister voneinander. Es wurde still, es war, als müsse sich jeder von ihnen daran erinnern, daß sie nun gleich mit grausigen Einzelheiten konfrontiert werden würden. Alle nahmen stumm am Küchentisch Platz. Willy beugte sich vor, legte die Unterarme auf das Linoleum und

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