Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
Vom Netzwerk:
das er Britta hatte zuteil werden lassen, und obwohl sie die Lorbeerumkränzte dort in ihrer Mitte schon sehr mochten, lehnten sie sie in diesem Moment doch entschieden ab.
    Devantier konnte kein Wort verstehen. Aber das war auch nicht nötig. Der Ton des Gemurmels und die Kopfhaltung der Murmelnden und ihr bemüht argloser Gesichtsausdruck animierten ihn, nach vielleicht 20 oder 30 Sekunden mit dröhnender Stimme in die Runde zu rufen: »Herrschaften, noch eins. Nur um Trugschlüssen vorzubeugen. Hier ist meinerseits, ich betone, meinerseits, gerade eine ungewöhnlich kreative und ohne jeden Hintersinn erbrachte Leistung gewürdigt worden – wie, das jetzt nur in Klammern, alle ungewöhnlichen Leistungen sowieso immer ohne Hintersinn entstehen. Daher meine herzliche Bitte: Sollte jemandem meine Würdigung unangemessen erscheinen, oder deutlicher gesagt, sollte sich durch die Würdigung jemand an die Wade gepinkelt fühlen, so gehen eventuelle Beschwerden nur an mich und nicht an die Gewürdigte. Versteht sich eigentlich von selbst. Bin wirklich gern bereit zu vertiefenden Gesprächen. Ende der Durchsage!«
    Es kam, wie es kommen mußte. Niemand hatte die Traute, Devantiers ausgesprochen großzügiges Angebot anzunehmen. Man machte, im Gegenteil, einen großen Bogen um den Direktor und umringte und bezirpste Britta, wie um ihr zu zeigen, man habe ihr gegenüber nie, wirklich nie auch nur eine Spur Neid empfunden. »Gigantische Nummer«, hieß es, und »wie eine Traumwandlerin, so sicher«, und »was für eine Geschichte – als ob du eine geheimnisvolle Geschichte in die Luft geschrieben hättest«.
    Britta mußte abermals weinen und warf sich zu diesem Zwecke der erstbesten an den Hals. Jeder dachte, die Sache eben habe sie so mitgenommen, und jeder wollte sie nun in den Arm nehmen oder ihr zumindest mit der Hand in den Haaren wuscheln; dabei ahnte natürlich keiner, daß sie schon in Aufruhr hergekommen war – keiner außer Leonelli, der sich aber vorsichtshalber fernhielt von der Menge.
    Er hatte gleich nach Devantiers Ansprache eines der Pferdemädchen in Beschlag genommen und redete nun unaufhörlich auf das ein, wobei er aus den Augenwinkeln doch genau beobachtete, was um Britta herum ablief. Nicht zuletzt verfolgte er auch Matti mit verstohlenen Blicken.
    Dieser reckte gerade seinen Hals, um in dem Gewimmel Catherine zu suchen, da hämmerte laute Musik los, die göttlichen Hiebe von Smoke on the water . Von einem der vorhin noch braven Bläser kamen die, er prügelte jetzt die Baßgitarre; wie überhaupt alle »Strombolis« völlig verwandelt schienen, verjüngt, verdreckt und verroht. Matti brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, daß es sich um dieselbe Combo handelte, die in der Manege so strukturiert zugange gewesen war, so maßvoll, da begann die dichte Traube, in deren Mitte sich Britta befand, auch schon auseinanderzufallen und in verschiedenen Formationen um das Feuer zu hüpfen. Einige Zirkusleute machten den Ausfallschritt und ritzten, aus wie von Stromstößen geschüttelten Handgelenken heraus, mit ihren Fingernägeln Kerben in die aufjaulende Luft. Andere tanzten wie eine Rotte Rumpelstilzchen ums Feuer. Britta legte den Kopf in den Nacken und ließ sich auch rütteln und schütteln, gleich am ganzen Körper, der zum Himmel drängte, breitbeinig stand sie da, zitternd und bebend wie eine Rakete, die jemand gezündet hatte und die gleich loszischen würde in die unendliche Weite des Alls.
    Und Matti staunte wieder mal, wie schnell bei ihr alles ging, wie unvermittelt sie die Spur wechseln konnte, man kam ja gar nicht hinterher bei ihr.
    *

Aus dem Romanmanuskript »Das verschlossene Kind«: 7. – 11. Kapitel:
    Eines Morgens, ich hatte kaum die Zelle im Haus der blitzenden Sichel betreten, begrüßte mich Gomus mit der Forderung: »Herr Karandasch, hiermit werden Sie dringend ersucht, von nun an endlich mit der Fibel zu lehren!« Das war, wie ich leicht heraushörte, nicht seine Wortwahl. Und noch weniger war es sein Ansinnen, denn Gomus war es herzlich egal, wie und ob überhaupt ich Antonio etwas beibrachte. Der Oberste hatte ihn beauftragt, mir diesen Befehl getreulich zu überbringen, daran bestand für mich kein Zweifel. Ich erwiderte wahrheitsgemäß, ich hätte die Fibel nicht bei mir, und zeigte Gomus zum Beweis meinen Tornister, in dem sich, wie immer in den letzten Wochen, nichts als etwas Proviant befand. Nachdem er einen Blick in das Behältnis geworfen, überlegte er so

Weitere Kostenlose Bücher