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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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nein-nein-nein, flüstert der Mensch, wenn er schönen Beifall kriegt, so schönen, daß er’s einfach nicht glauben kann, und was er damit entfacht, und was er ja auch will, ist ganz klar: noch mehr davon, noch viel viel mehr.
    Plötzlich umfaßte ihr jemand das Handgelenk, und derart fest drückte der zu, daß sie leise aufschreien mußte.
    Devantier, wer sonst. Er zog sie nach vorn ans Feuer, in dessen Schein seine faltenüberzogene Wange aussah wie ein halb gegrilltes Steak. Und als wäre er ein Polizist und Britta eine Delinquentin, umgriff er dort mit seiner Pranke ihren Hals und ein Stück von ihrem Hinterkopf. Aus den Gesprächen um die beiden herum wurde Gemurmel. Das, je länger sie so standen, vollends erstarb. Aber warum denn dieses fast schon rabiate Zupacken jetzt? Hatte der Prinzipal auf einmal was auszusetzen an Britta?
    Er lockerte seinen Griff, tätschelte sie etwas ungelenk und begann zu sprechen: »Ich will es kurz machen, zumal das meiste Lob sowieso nur Gewäsch ist. Meine ich wortwörtlich, Herrschaften. Meine ich auch dahingehend, daß Lob schlaff macht wie’n nasses Handtuch. Die meisten, die man lobt, kann man danach gleich aufhängen. Sofern mich mein Verstand nicht trügt, muß man bei Britta Werchow diese Befürchtung aber nicht haben. Ich will in diesem Zusamenhang, obwohl’s den meisten nicht ganz neu sein dürfte, nochmal daran erinnern, wie sie hier vor Jahren reingeschneit ist: Damals hat sie von Tuten und Blasen keine Ahnung gehabt und noch nicht mal davon, was sie eigentlich hier will. War reiner Zufall, daß sie hier gestrandet ist – oder seh ich das falsch, Britta? … Na bitte. Ich sag euch was Erstaunliches, Herrschaften, auf dem völlig falschen Dampfer war ich damals. Weil ich dachte, eine Woche, und die Kleine ist wieder weg. Maximal eine Woche! Sie hat ja von mir als erstes, und wie ich glaubte als letztes, eine Mistgabel in die Hand gedrückt bekommen. So eine Mistgabel, das brauch ich keinem zu erzählen, deckt mehr auf als jeder Lügendetektor. Hätte mich auch gar nicht gewundert, wenn die Forke schon nach einer Stunde im Stall rumgelegen hätte und das Mädchen auf und davon gewesen wäre. Kennen wir ja zur Genüge, solche Fälle. Jungpioniere! Dösköppe! Aber sie hier, sie hat alles erledigt, was erledigt werden mußte, sie hat ordentlich rangeklotzt. … So, nun aber mal halblang, werden jetzt bestimmt manche von euch sagen, der Alte will uns doch nicht etwa die kleine oder nicht mehr kleine Werchow als Vorbild hinstellen, nur weil sie ordentlich gearbeitet hat; machen wir schließlich auch, und zwar noch paar Jährchen länger als sie. Klar, Herrschaften, macht ihr! Weiß ich zu schätzen, so ist’s nicht. Aber da ist noch ein geringfügiger Unterschied zwischen ordentlich und außerordentlich. Ein geringfügiger und trotzdem entscheidender. Das Ordentliche, sagt ja schon der Name, pflegt den Bestand. Das Außerordentliche bringt ihn durcheinander. Herrschaften, ich rede nicht von Chaos, ich bitte euch, besonders während dieses jetzigen Teils meiner kleinen Rede eure Gehörgänge auf Empfang zu schalten, denn es ist der entscheidende. Woher kommt nämlich das Außergewöhnliche? Aus der Tiefe eines Menschen. Niemand kann da runtergucken, nicht mal derjenige selber. Jawohl, er weiß ja selber nicht, was da vorhanden ist, er weiß nur eins, er muß probieren, muß nach dem greifen, was nicht sichtbar ist. Was aus sich rausholen muß er. Darum geht’s im Leben – jedenfalls in dem, das wir hier führen. Mag es einmal Müll sein, was er findet, und meinetwegen nochmal, und immer nochmal, irgendwann wird er auf Gold stoßen, Quatsch, was erzähl ich euch, nicht auf Gold, denn Gold gibt’s auch schon genug in der beschissenen Welt, eine andere, noch unbekannte Substanz wird er freilegen, und damit wird er dann alle zum Staunen bringen, sich selber eingeschlossen. So, das war’s schon, Herrschaften! Ging mir nicht um die Tuch-Nummer an sich, um ihr Raufholen ging’s mir. Selten hat mich ein Raufholen so umgehaun wie in diesem Fall – und damit Prost, alle zusammen!«
    Devantier erhob die Bierflasche. Einige erwiderten sein »Prost«, andere spendeten Beifall, wieder andere aber flüsterten pikiert, der Alte möge bloß nicht so tun, auch sie hätten ja wohl schon ›jede Menge raufgeholt‹ und ›Staunen erregt‹ und ›das Publikum umgeworfen‹, mit anderen Worten, sie fühlten sich von Devantier kritisiert und sogar beschämt durch das überbordende Lob,

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