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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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stillen, nur in meinen Gedanken, aber lassen wir das. Du ahnst vielleicht, derjenige, von dem ich spreche, ist doch an die Macht gelangt. Und sobald er sie errungen hatte, tötete er deine Eltern. Gleich am ersten Tag seiner Regentschaft erledigte er das; als gäbe es nichts Wichtigeres für ihn.«
    Die Nachricht löste nichts aus in Antonio. »Auch mit einem Durchschnitt?« fragte er interessiert. »Ein Durchschnitt?« fragte ich zurück, da präzisierte er: »Auch mit dem Essenmesser?« Ich erinnerte mich nun, wie ich vor Antonios Augen der Katze den Garaus gemacht hatte, und fast im selben Augenblick verstand ich, in meinen jetzigen Worten konnte für ihn nichts Neues liegen. Seit jenem Mord mußte er den Tod notwendigerweise mit Gewalt verbinden. Einen anderen, einen friedlichen kannte er nicht. Ich mußte dem Jungen, ehe ich endlich auf sein eigenes Schicksal zu sprechen kommen durfte, erst einmal verdeutlichen, welch grauenhaftes Unrecht seinen Eltern geschehen war.
    »Nein, nicht mit dem Messer«, antwortete ich ihm. »Es gibt noch viele andere Methoden. Deine Eltern wurden auf dem Boden festgebunden, und dort brach ihnen der Henker, das ist der Mann, der den Tod herbeiführt, mit einem schweren Eisenrad die Knochen. Erst ließ er das Rad auf ihre Beine fallen, dann auf ihre Rippen, dann auf ihre Arme. Kannst du dir vorstellen, wie weh das tut?« Antonio nickte, aber auf eine verständnislose Art. »Du kannst es dir nicht vorstellen. Paß auf, du sollst eine Ahnung bekommen. Vestis wird dir jetzt den Arm umdrehen, nur umdrehen, das ist noch weit entfernt vom Armbrechen, aber danach wirst du ansatzweise wissen, was für ein Schmerz es ist, den deine Eltern aushalten mußten.« Ich schaute zu Vestis und bemerkte, er fühlte sich wieder mißbraucht. »Los«, forderte ich ihn auf, »es ist unabdingbar!« Da trat er zögernd hinter Antonio und drehte ihm den Arm um, viel zu sanft. »Fester«, verlangte ich. Gleichzeitig verschloß ich Antonio mit meiner flachen Hand den Mund. »Fester, Vestis, verdammt nochmal, fester.« Ich steigerte mich in einen wahren Furor hinein, half Vestis sogar, Antonio den Arm zu beugen. Entsetzt darüber, was bei mir in dieser Sekunde zum Ausbruch kam, schaute der brave Wachmann mich an. »Es muß sein«, wiederholte ich keuchend, aber er antwortete mir nur mit einem vernichtenden Blick. Vestis mußte damals genau gespürt haben, was ich vor mir selber furchtsam verbarg. Heute kann und muß ich es ans Tageslicht bringen, denn Antonios Geschichte enthält, wie der Leser sicher schon bemerkt hat, meine eigene Beichte. Vielleicht ist es sogar umgedreht, und meine Beichte enthält seine Geschichte, vielleicht verfasse ich diesen Bericht vom Geschehen auf der Insel nur deshalb: Um endlich auch zugeben zu können, daß mich eine ungeheure Lust packte, Antonio zu foltern. Seine Wehrlosigkeit regte mich auf und stachelte mich an. Oh, er saß mir da gerade recht. Meine seit Wochen angespannten Nerven verlangten plötzlich danach, daß ich mich an jemandem genüßlich tat. Wegen ihm waren sie angespannt, an ihm tat ich mich genüßlich. Büßen sollte er für sein unglückseliges dreckiges Hiersein. Wohlbehüteten und Neunmalklugen, Neunmalklugen, weil Wohlbehüteten wird meine Erklärung vielleicht nichtswürdig erscheinen, aber diese Menschen mögen schweigen. Ich für mein Teil weiß nur zu gut um jene finstere Folgerichtigkeit.
    Da Vestis Antonio eher schützte als quälte, stieß ich ihn beiseite. Mit einem Ruck drehte ich den Arm so hoch, daß der Junge mit seiner Stirn auf den Tisch schlug. Er quiekte in meine Hand. Den hinter mir schlafenden Gomus im Sinn, drückte ich sie ihm fester aufs Maul. Er sabberte hinein. Aber es war ja nun auch gut. Ich gab ihn frei, verwandelte mich wieder in den vertrauenswürdigen Magister, der ich zuvor gewesen war und fürderhin immer sein würde, und erklärte Antonio: »Das ist Schmerz, verstehst du nun? Und das war ein geringfügiger, geradezu lächerlicher Schmerz im Vergleich zu dem, den deine Eltern erleiden mußten. Und ich setze fort, Antonio, sie waren ja noch lange nicht tot, deine lieben Eltern. Sie wurden nun in das Rad geflochten; geflochten heißt, man wand ihre gebrochenen Glieder wie Hanfstränge um die Speichen. Alsdann befestigte man das Rad auf einem Pfahl und richtete diesen auf. Zuletzt entfachte man ein Feuer. Es kroch den Pfahl hinauf und erfaßte deine Eltern. Meta, soweit ich es beobachten konnte, verbrannte schnell darin, aber Salo

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