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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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hinter dem liegenden Ball standen Arm an Arm fünf oder sechs Blaue, um ihn abzuwehren. Der Schiedsrichter schob sie noch ein wenig weiter nach hinten. Dann lief ein bulliger Unioner an und drosch die Kugel direkt in die Mauer, die menschliche. Es war wohl nicht ganz das, was man sich vorgestellt hatte auf den Traversen, ein Grummeln ertönte, so laut und dumpf, als käm’s aus den Bäuchen einer Elefantenherde, aber dann besannen sich die ersten ihrer wahren Bestimmung und kehrten trotzig zu ihrer ursprünglichen Losung zurück, und bald fielen alle ein: »Eisanunion, Eisanunion …«
    Es kam noch mehrmals zu Freistößen für die Roten, es wurde noch mehrmals mit Worten die Mauer attackiert. Sie blieb aber jedesmal stehen, und es überwand sie auch niemand, immer wurde der Ball hineingesemmelt, oder er ging weit vorbei an ihr und dem Tor. Darüber wunderte sich Matti mit der Zeit, und so fragte er in der Pause Peter Schott: »Warum lassen die sich eigentlich nicht ein bißchen mehr einfallen, wenn es Freistoß gibt? Warum versuchen die nicht mal zu kombinieren?«
    Peter Schott reagierte mit einem schallenden Lachen: »Zu kombinieren? Wie denkste dir denn ditt? Sowatt kann wirklich nur vonnem komplett Ahnungslosen kommen! Wir reden von Freistößen, frei und Stoß, wie der Name schon sagt, zackzack, da wird höchstens ma kurz abjelegt, und dann wird druffjehämmert, wegen der Neunfuffzehn, neun Meter fuffzehn muß der Gegner entfernt sein – watter ja sonz selten is. Dazu kriegt man ja son Freistoß. Daß der Gegner nich gleich rankann an ditt ›runde Leder‹, wieett bei unsern Radioreportern immer so schön heißt.«
    Damit schien er aber Matti nicht überzeugt zu haben. »Wenn man neun Meter fünfzehn Vorsprung hat, dann könnte man auf denen doch erst recht kombinieren, oder nicht?«
    »Vorsprung jibts beim Hundertmeterloof – wir spieln hier aber Fußball, fallsitt dir noch nich uffjejang is.«
    »Is mir uffjejang«, repetierte Matti, und Peter Schott, dem nicht verborgen geblieben und durchaus auch nicht einerlei war, daß die umstehenden Unioner sich vor Lachen kaum noch einkriegen konnten, dachte schon erleichtert, sein Freund würde nun endlich Ruhe geben, aber gefehlt, nach einer kurzen Pause erklärte Matti um so bestimmter: »Man könnte sich doch vorher, also wenn alle um den Ball herumstehen, da könnte man sich doch tatsächlich was ausdenken. So wie man sich beim Schach was ausdenkt. Mehrere Züge! Man setzt mehrere Spieler zugleich in Bewegung, und die geben sich nach einem bestimmten Plan den Ball ab. Könnte das nicht funktionieren? Die gegnerischen Spieler stehen doch noch in ihrer Mauer! Ehe die sich’s versehen haben, kriegen sie den Ball rein. Weil am Ende der Kombination jemand ganz frei vor dem Tor ist. Die Dame, die zwar alle ihre Bauern verschlissen hat, aber nun den König schlagen kann.«
    »So«, sagte Peter Schott, »wo deine Dame so schön rumturnt, uffm Schachbrett, da jibts wie viele Felder, viernsechzig?«
    »Vierundsechzig.«
    »Und uffden viernsechzig Feldern darf jeweils nur eine Fijur stehen, ooch richtig? Und ett jibtn Haufen Regeln für alle, die eene Fijur darf ditt nich, die andere ditt nich. Keene is richtig frei, nichma die Dame, der issett nämlich verwehrt zu springen. Dazu hattse ihrn Gaul, derse aber wiederum nich tragen darf. Allett in allem sind also die Bewejungsmöglichkeiten der einzelnen Individuen stark einjeschränkt!«
    Peter Schott hatte das triumphierend verkündet und nicht noch extra eine Schlußfolgerung gezogen, zweifelsohne im Glauben, Matti sei selber dazu imstande.
    Matti aber fragte: »Und was willst du mir mit diesen Selbstverständlichkeiten sagen?«
    Jetzt hielt es Peter Schott für angeraten, sich doch erstmal den Umstehenden zu erklären: »Übrijens – mein Freund Matti. Außerdem isser mein Chef, aber ditt is wurscht. Wattick sagen will: Einklich hattern absolut scharfen Verstand, kannick beschwörn. Der schreibt soja richtije Bücher. Insofern trügt der Eindruck, dener grade macht.«
    Damit wandte er sich wieder an Matti: »Wir hamm hier ein großet Feld, uffdem jeder überall hindarf. Ditt is eben keen Schach, wode die Züge bis weeßickwohin plankannst. Ditt jeht hier wirklich nich, wiede dir ditt so vorstellst. Die Männer, die in der Mauer stehn, die springdo sofort nach vorne und zur Seite, die grätschen da rin, die köppen, wattitt Zeug hält, die wissen selber nich, wattse in der nächsten Sekunde veranstalten wern. Die jagen

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