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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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in dir wirken kann. Erst wenn du aufhörst zu formulieren, darfst du dich der Orgie überlassen, erst dann begreifst du, daß es überhaupt eine gewesen ist. Sie bricht voll aus, indem sie schon wieder verschwindet, verstehst du?«
    »Ein Verschwinden im Ausbrechen«, hatte Catherine gesagt, »das erinnert mich ja an bestimmte Momente im Bett.« Feiner Spott war vernehmbar gewesen, als ob sie hatte sagen wollen: Vielleicht übertreibst du jetzt ein bißchen, mein Lieber.
    Matti aber hatte mit größtem Ernst geantwortet: »Es ist gar nicht so weit entfernt davon, da hast du recht. Es fehlt natürlich das Eruptive, deshalb gibt es nicht den einen Gipfel des Glücks, aber sonst … ach, na, ich merke schon, es ist nicht richtig vermittelbar …«
    Indem er sich an jene kurze Unterhaltung erinnerte, wurde Matti etwas bewußt: Er hatte von der Minute, in der er das Buch in die Hände kriegte, eindeutig zuviel erwartet. Nur noch ein Ding war es doch mittlerweile, nicht für andere, die es sich in der nächsten Zeit zu Gemüte führen und dies oder das dabei empfinden würden, aber für ihn, der vor Monaten schon alles empfunden hatte, alles Wichtige.
    Ein paar Wochen blieb es auch um ihn herum ruhig. Es war, als sei das Verschlossene Kind gar nicht erschienen; das fand er einerseits seltsam und enttäuschend, aber andererseits paßte es zu seiner eigenen Gefühlslage, und deshalb bedrückte es ihn auch nicht sonderlich.
    Dann, es war an einem Donnerstag Ende April, und er bummelte durch seine freien Tage, erhielt er ein Telegramm, das ihn alarmierte, weil es zielgerichtet und nebulös zugleich verfaßt war. Es stammte von Spahner, dem Direktor der Stromreederei. Matti wurde darin aufgefordert, sich am Montag, 7 Uhr, in der Zentrale einzufinden, um, wie es wörtlich hieß, über sein »nicht hinnehmbares Verhalten Rechenschaft abzulegen«.
    Gemeinsam mit Catherine rätselte er, was Spahner damit meinen könnte.
    Catherine vermutete, der Direktor werde ihn aufgrund des Kahnfahrer-Bildes im Klappentext bezichtigen, das Ansehen des VEB Stromreederei beschmutzt zu haben.
    Matti dachte aber unwillkürlich an etwas anderes, daran, daß Karin Werth ihn vor ihrem Abschied noch gewarnt hatte, man könne ihn, da er sein Honorar ja in D-Mark kriege, wegen Verstoßes gegen die Devisengesetze belangen, oft genug sei so etwas in der Vergangenheit geschehen. Wenn es sich also in seinem Fall wiederhole, müsse auch er zur Not eine Strafe zahlen, doch glaube sie ehrlich gesagt nicht, daß es jetzt noch so weit komme. Nach ihren Informationen sei ja nicht einmal der Anwalt dazu verdonnert worden, der in seinem viel brisanteren und erst richtig gefährlichen Buch den Staat präzise seziert habe. Früher, so Karin Werth weiter, wäre dieser Verfasser straks nach Bautzen verschickt worden, aber man befände sich nunmal nicht mehr in den 60er Jahren und auch nicht mehr in der Mitte der 80er, kurzum, Matti, der sich so weit nun wahrlich nicht aus dem Fenster gelehnt habe, möge die Ruhe bewahren.
    Er erzählte Catherine davon, da nickte sie und wiederholte noch einmal ihre Theorie und sagte: »Du schaffst das schon. Was kann er dir schon anhängen wegen des Porträts.«
    »Vielleicht will er mir was anhängen, weil das Buch überhaupt im Westen erschienen ist? Das wäre das Beste für mich, das wäre ein gefundenes Fressen! Ich weiß schon, was ich sagen würde: Kollege Spahner, würde ich sagen, gut, daß Sie das ansprechen. Ich finde wie Sie, es ist falsch dort im Westen, beziehungsweise es ist dort nicht so richtig, wie es hier wäre. Ich kenne die Leute da nicht, und ich kenne nicht die Städte. Aber da liegt es nun, in irgendwelchen Städten, die ich nicht kenne und in die ich auch nicht komme, glauben Sie mir, das ist ein seltsames Gefühl. Aber hier bei uns, so ist es nun mal, wollte man das Büchlein nicht. Leider. Im Grunde ist es doch so: Sie haben einen voll beladenen Kahn, der wird an einem Hafen abgewiesen, versenken Sie deshalb Ihre Fracht? Sie fahren zum nächsten Hafen, das tun Sie, nicht?«
    Catherine wandte ein: »Wenn ich mich in diesen Spahner hineinzuversetzen versuche, dann wird er aber argumentieren, unser sozialistischer Hafen habe deine Fracht gar nicht bestellt, und überhaupt handle es sich bei der nicht um irgendwelche Kohlen oder Rüben, sondern um eine ideologische Pampe, die abzulehnen sei, vollkommen korrekt habe sich die Gesellschaft dir gegenüber verhalten, aber du, du hast die Gesellschaft

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