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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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flockig«, oder sogar albern, irgendwie flüchtig sein, um ein Mädchen zu beeindrucken und herumzukriegen; er sah doch, wie das bei anderen lief. Oh, auch er war durchaus zu Albernheiten imstande, Britta konnte das bezeugen. Nur nicht auf Bestellung, nur nicht auf Knopfdruck. Er beherrschte einfach nicht das, was man allem Anschein nach beherrschen mußte, deswegen war er durchaus beunruhigt gewesen. In seinem tiefsten Innern aber hatte er gewußt, daß es eben nur der Anschein war, in seinem tiefsten Innern hatte er immer darauf gebaut, einmal käme eine, der dieser ganze Firlefanz so egal wäre wie ihm selber …
    Na sag ich’s doch, dachte Matti jetzt, man muß mit dem erobern, was man hat, nicht mit dem, was man nicht hat! Aber ja, die meisten halten’s umgedreht, und genau darum scheitern sie.
    *
    An den folgenden beiden Tagen sah sich allerdings auch Matti scheitern. Karin Werth erschien nicht im »Schoko + Vanille«. Dennoch suchte er, mehr aus Sturheit als aus Überzeugung, das Café auch am nächsten Nachmittag auf, und ebenso am übernächsten. Wieder nichts. Seltsamerweise fühlte er sich weniger enttäuscht als angestachelt. Ihm kam sogar der Gedanke, Karin Werth stelle ihn auf die Probe, teste sein Stehvermögen. Na, das wollte er ihr schon zeigen. Er ließ sich, fast war es nun ein Ritual, auch am fünften Tag in dem Café blicken. Und wer saß da endlich? Wer las da in einem alten Buch? Wer rauchte? Wer blies ihm Begrüßungskringel entgegen?
    Das sei aber schön, bekundete Matti.
    Das habe sich zeitlich zufälligerweise einrichten lassen, erklärte Karin Werth.
    Zufällig, dachte Matti, so nennt sich das also. Auf einmal spürte er Enttäuschung. Karin Werth war wirklich davon ausgegangen, und hatte es darauf angelegt, daß er jeden Tag ihretwegen hier wartete. Und nun wollte sie ihm weismachen, ihr Auftauchen habe nichts mit ihm zu tun. Es war mit Abstand das Niveauloseste, was er je von ihr gehört hatte.
    »Unfug«, sagte sie plötzlich.
    »Was ist Unfug?« fragte Matti unwirsch.
    Sie schaute zur Seite, gab sich einen Ruck, sah ihm in die Augen: »Zeitlich hätte es sich auch früher einrichten lassen. Aber weißt du, es gibt für mich gerade so viel zu bedenken … ich wußte wirklich nicht, ob es gut wäre zu kommen.«
    Matti wollte fragen, was sie denn zu bedenken hatte, ließ es aber sein. Es schien ihm ein zu ungestümes, ein zerstörerisches Vorpreschen zu sein. Außerdem spürte er, daß er keine Antwort bekommen würde. Und schon vergaß er seine Frage, und das Hochgefühl ergriff ihn wieder: Sie hat gemerkt, daß sie mich enttäuscht hat, und hat sich ohne Scheu selbst korrigiert. Nur wegen mir ist sie gekommen, und nicht zufällig, überhaupt nicht zufällig …
    Die beiden redeten recht wenig. Ihre Unterhaltung dauerte vielleicht eine Viertelstunde, danach trennten sie sich wieder. Was aber nicht an irgendeiner Verlegenheit lag, im Gegenteil; wenn man mit seinem Schiff erstmal den Anlegesteg vorm Bug hat, kann man den Motor getrost ausstellen und mit wenigen kurzen Manövern lenken.
    Die junge Deutschlehrerin, Manöver eins, baute unvermittelt einen etwas schiefen kausalen Zusammenhang auf, indem sie sagte: »Da ich dich nun nicht mehr unterrichte, ich heiße Karin.«
    Daraufhin, Manöver zwei, versäumte Matti nicht, sie darüber zu informieren, daß bei ihm zu Hause eine Jawa herumstünde, auf der zwei Personen Platz fänden, zum Beispiel, um damit zum Stausee zu fahren, zum Beispiel, »wie wäre es morgen«?
    Karin Werth wiederum erwies sich in diesem Moment als souverän genug, nicht noch einmal zu erklären, das wisse sie nicht. Entschlossen sagte sie zu. Freilich weigerte sie sich danach ähnlich entschlossen, Matti ihre Adresse zu nennen, und bat ihn statt dessen, sie um 10 Uhr am Feldweg hinter der Bushaltestelle »In der Aue« abzuholen, knapp außerhalb der Stadt.
    Matti hielt Punkt zehn an dem Feldweg. Es war einer der wenigen heißen Tage jenes Sommers. Die Sonne trocknete den vom Regen aufgeweichten, schlammigen Boden in Minutenschnelle, briet die weichen schwarzen Ränder der Treckerspuren hart und hellte sie auf; ein auf Hochbetrieb laufender weißelnder Ofen. Noch niemand zu sehen. Matti lehnte sich an das Haltestellenschild, winkelte ein Bein an und stemmte die Fußsohle gegen den Metallpfahl. Ein Ikarus-Bus tuckerte heran. Karin Werth entstieg. Sie trug enge Jeans und ein enges weißes Nicki. Die kastanienbraunen Haare, die sie im Unterricht meist hochgesteckt hatte,

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