Brüder und Schwestern

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Autoren: B Meinhardt

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nach von den gewöhnlichen Lebensformen abweicht. Einer von diesen Entwürfen betraf ein historisches Sujet aus der Zeit Katharina der Zweiten, die bekannte Affäre des Offiziers Mirowitsch, der im Jahre 1764 für den Versuch, Iwan VI . Antonowitsch aus der Schlüsselburger Festung zu befreien, bestraft wurde. Iwan Antonowitsch, der Sohn der Anna Leopoldowna und des Anton Ulrich, des Herzogs von Braunschweig, wurde in seiner Jugend von Elisabeth Petrowna bei ihrer Thronbesteigung im Jahre 1741 in eine Einzelkasematte geworfen.
    Dostojewski interessierte sich für die Gestalt des Kindes, das in dunkler Einzelhaft gehalten wurde, ihn interessierte die Entwicklung des Geistes aus seinen geheimnisvollen Urquellen, und er suchte das Problem zu lösen, wie das blinde Element, das im Menschen durch den Mangel äußerer Einwirkungen in Schlaf gesunken war, aus der Dunkelheit zum Leben erweckt werden konnte …«
    Er unterbrach sie, indem er auf den Bleistiftstrich neben dem letzten von ihr gelesenen Abschnitt deutete: »Warum hast du gerade die Stelle markiert? Oder warst du das gar nicht? Hast du das schon so gekauft?«
    Sie schaute ihn mit jener Erschöpfung an, mit der sie vorhin gelächelt hatte. »Doch, ich war das. Weil es ein großartiges Aufsatzthema wäre. Dostojewski hat ja diese Geschichte nie geschrieben. Und nach ihm auch niemand. Ich würde also meiner Klasse sagen: Nehmt bitte diese Idee, hier, ich gebe euch noch etwas historisches Material hinzu, und nun schreibt eure Geschichte über Iwan Antonowitsch, der seine Kindheit im Gefängnis verbrachte; seid so anmaßend, das zu tun, was ein großer Dichter nicht tat. Selbstverständlich würde ich ihnen freie Hand lassen. Sie könnten sich alles nach Belieben ausmalen …«
    »Sie könnten? Du würdest?«
    Sie winkte ab: »Dieses Thema kriege ich nie durch. Es ist so weit weg vom Lehrplan. Dabei ist es uns so nahe … und deshalb kriege ich es ja nicht durch. Alle würden nämlich über heute schreiben, auf Umwegen, und manche, manche würden sogar verstehen, was sie gerade schreiben …«
    »Ich finde die Idee großartig, ich würde am liebsten gleich hier …«
    »Gleich hier«, lachte sie auf, »du lügst.«
    Er errötete, denn gleich hier, gleich hier würde er doch viel lieber …
    »Jetzt du«, sagte sie und schob ihm das Buch hin. Sie legte ihren Kopf auf die Arme und sah Matti an, mit einem Blick, den er nicht aus dem Kopf kriegte, während er, gar nicht mal so langsam, ohne größeres Stocken las:
    »Das Werk sollte den Titel Der Kaiser erhalten. Wir führen hier dessen Plan mit wörtlicher Genauigkeit an: ›Kellerloch, Finsternis, ein Jüngling; er kann nicht sprechen, Iwan Antonowitsch, fast zwanzig Jahre. Beschreibung der Natur dieses Menschen. Seine Entwicklung. Er wächst durch sich selbst, phantastische Bilder und Gestalten, Träume, eine Jungfrau im Fenster erblickt. Vorstellungen von allen Gegenständen. Eine grausige Phantasie, Mäuse, Kater, Hund. Ein junger Ofizier, der Adjutant des Kommandanten, sinnt auf einen Umsturz, um ihn als Kaiser auszurufen. Er wird bekannt mit ihm, besticht einen alten Invaliden, der den Arrestanten bedient …‹«
    Plötzlich klappte Matti das Buch zu. Er begriff ja überhaupt nicht, was er las! Er sprang auf, rief, »laß uns ins Wasser gehen«.
    Sie erhob sich langsam, fast schläfrig, mit der unergründlichen sanften Mattheit, die er nun schon kannte und die ihn mehr als alles andere erregte, und sagte: »Baden … gemeinsam baden … das ist eine große Intimität.«
    Er sagte leise: »Ich widerspreche dir ungern, aber eine Intimität …«
    Sie wartete nicht ab, bis er zu Ende geredet hatte, sondern begann sich zu entkleiden, erst das Nicki, dann die Jeans, dann der Slip. Sie bückte sich, kam, mit einer Haarklammer aus Ebenholz in den Fingern, wieder hoch, sie türmte ihre Haare mit beiden Händen zu einem Dutt und ließ dabei ein paar Schweißtropfen in ihren entblößten Achselhöhlen blicken.
    Er zog sich wie in Trance aus. Kaum, daß er bloß war, schlug ihm sein Glied gegen den Bauchnabel.
    »Sagte ich doch«, flüsterte sie.
    Er wagte, sie mit einer Hand an zwei oder drei Fingern zu fassen, und lief mit ihr ins Wasser. Er meinte, es nur an seinem aufgerichteten Glied zu spüren, ihm war, als teilte er es mit dem und als schreite er sich selber hinterher. Dann schwammen sie. Einmal entfernten sie sich voneinander, in genau entgegengesetzte Richtungen, ein andermal strebten sie, wie auf Befehl, wieder